EZB lässt sich nicht von Inflationssorgen treiben
Frankfurt/Main (dpa) - Europas Währungshüter lassen sich von der Sorge um eine steigende Inflation nicht zu einer Zinserhöhung drängen. Die Europäische Zentralbank (EZB) belässt den Leitzins für den Euro-Raum unverändert auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent.
Die Zentralbank setzt damit ihre Politik des billigen Geldes fort. Volkswirte erwarten jedoch, dass die Notenbank nicht mehr allzu lange warten wird, um per Zinserhöhung das Geld im Markt wieder zu verknappen. Höhere Zinsen verteuern jedoch Kredite und könnten so den - in vielen Ländern noch anfälligen - Wirtschaftsaufschwung bremsen.
„Wir müssen wachsam bleiben“, betonte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag in Frankfurt. Die Inflationsraten könnten in diesem Jahr weiter steigen. Allerdings sei der aktuelle Druck bei den Verbraucherpreisen voraussichtlich nur vorübergehender Natur - bedingt vor allem durch steigende Energie- und Rohstoffpreise. Gegen Ende 2011 dürfte sich der Preisanstieg wieder abschwächen, so dass die Raten mittelfristig die EZB-Warnschwelle von 2,0 Prozent nicht überschreiten sollten - das allein zähle. Trichet versicherte, die EZB werde „jederzeit alles tun, um Preisstabilität zu gewährleisten“: „Wir sehen uns als der Vertrauensanker im Euro-Raum.“
Teure Energie und Lebensmittel hatten die Jahresinflation in den 17 Euro-Staaten im Januar auf 2,4 Prozent getrieben, den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren. In Deutschland kletterte die Jahresteuerung zum Jahresauftakt auf 1,9 Prozent. Im März wird die EZB ihre neueste Inflationsprognose veröffentlichen. Zuletzt ging die Notenbank für dieses Jahr von 1,8 Prozent Teuerung aus.
Volkswirte und Analysten rechnen wegen der anziehenden Inflation inzwischen früher mit einem Zinsschritt der EZB nach oben als noch vor wenigen Wochen. Die Erwartungen seien vom vierten auf das dritte Quartal 2011 vorgezogen worden, schrieb die UniCredit jüngst.
Seit Mai 2009 verharrt der wichtigste Zins zur Versorgung der Geschäftsbanken im Euro-Raum mit Zentralbankgeld bei 1,0 Prozent - und damit auf dem tiefsten Niveau seit Gründung der europäischen Währungsunion im Jahr 1999.
Trichet ließ den Zeitpunkt für eine Zinserhöhung am Donnerstag ebenso offen wie den Zeitplan für ein endgültiges Ende der Sondermaßnahmen der EZB, mit denen die Notenbank in der Krise Milliarden in die Märkte pumpte.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht die EZB in Gefahr, wegen ihrer „extrem expansiven Geldpolitik“ ihrem eigentlichen Auftrag zur Preisstabilität nicht mehr nachkommen zu können. „Sie wird es versuchen, aber ich glaube nicht, dass es ihr in den nächsten zehn Jahren gelingt, die Inflation wie versprochen auf zwei Prozent zu begrenzen“, bekräftigte Krämer frühere Aussagen in einem Interview mit „Börse Online“. Der Anstieg des Preisniveaus werde sich stattdessen pro Jahr im Durchschnitt zwischen drei und vier Prozent bewegen.