EZB-Zinsentscheid: Warnung vor Mehrbelastung von Bankkunden
Berlin/Frankfurt (dpa) - Nach der historischen Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) haben die Grünen die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert.
Die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Nicole Maisch, sprach sich für gesetzliche Obergrenzen aus, um Dispozinsen für die Kunden zu reduzieren. Hilflose Appelle an die Banken, diese zu senken, reichten nicht aus, sagte Maisch, der Nachrichtenagentur dpa. Statt einer Deckelung stehe im Koalitionsvertrag von Union und SPD nur noch die Einführung von Warnhinweisen beim Übertritt in den Dispo. „Das ist ein Placebo und wird den Verbrauchern nur begrenzt helfen“, kritisierte Maisch.
Verbraucher-Staatssekretär Gerd Billen hatte die Kreditwirtschaft am Donnerstag aufgefordert, die Dispozinsen fürs Konto-Überziehen zu senken. Die Herabsetzung des Leitzinses auf das Rekordtief von 0,15 Prozent zeige, dass die Institute sich noch lange Zeit sehr billig Geld leihen könnten. „Wenn Banken gleichzeitig für die Inanspruchnahme von Dispo-Krediten völlig überzogene Zinsen nehmen, ist das aus Sicht der Verbraucher unverständlich.“ Verbraucherschützer kritisieren, dass teils Dispozinsen von mehr als 10 Prozent fällig werden.
Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzvb) hatte die Branche aufgefordert, die Kunden nicht zusätzlich zu belasten. „Dass die Übertragung geldpolitischer Impulse nicht funktioniert, darf nicht zu Lasten der Verbraucher gehen“, forderte Verbandschef Klaus Müller.
Sparer und Bankkunden dürften die EZB-Beschlüsse nach Experteneinschätzung nicht unbedingt unmittelbar zu spüren bekommen. „Bei Tagesgeldkonten zum Beispiel liegen die Zinsen derzeit im Durchschnitt bei 0,67 Prozent“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung in Frankfurt am Main. Dieses Niveau werde sich voraussichtlich in etwa halten. „Allerdings werden die Zinssätze bei den guten Angeboten vermutlich sinken.“
Die EZB hatte den Leitzins am Donnerstag auf 0,15 Prozent gesenkt. Außerdem müssen Banken erstmals Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken, statt Kredite zu vergeben. Zugleich wollen die Währungshüter mit neuen Milliardenspritzen für das Bankensystem die Kreditvergabe vor allem in den südlichen Euroländern ankurbeln. Sie beschlossen, billige Kredite im Volumen von bis zu 400 Milliarden Euro über vier Jahre zu verabreichen.
Die Kosten für die Strafzinsen holen sich Geldinstitute nach Ansicht von Herbst aber unter Umständen bei ihren Kunden wieder rein. „Das wird aber vermutlich nicht unbedingt sichtbar sein“, erklärte der Zinsexperte. Spielraum gebe es unter anderem bei den bonitätsabhängigen Krediten. „Auch die Dispozinsen werden nicht unbedingt nachgeben“, vermutet Herbst. Die Einführung zusätzlicher Gebühren nach der EZB-Entscheidung, zum Beispiel für Girokonten, erwartet Herbst aber nicht. „Dazu ist dieser Markt zu empfindlich.“