Griechen streiken - Neue Milliardenhilfe im Gespräch

Athen/Berlin (dpa) - Streik in Griechenland, Alarm in Europa: Die Regierung in Athen muss weiter um Vertrauen in der dramatischen Schuldenkrise kämpfen.

Hunderttausende Landsleute von Ministerpräsident Giorgos Papandreou traten am Mittwoch in den Streik, um gegen die drastischen Sparpläne zu protestieren. Bei Ausschreitungen in Athen wurde ein junger Mann lebensgefährlich verletzt. Viele Behörden und öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Ministerien waren betroffen. Im Flug-, Fähr- und Bahnverkehr kam es zu Ausfällen und Verspätungen.

Nach einer friedlichen Demonstration gerieten in der Hauptstadt Polizisten und Demonstranten aneinander. Mindestens 14 Menschen verletzten sich. Vermummte warfen Knallkörper auf Beamte und zerstörten Bushaltestellen. Die Polizei setzte Tränengas ein.

EU-Währungskommissar Olli Rehn hatte am Dienstag bestätigt, dass Entscheidungen für neue Hilfen vorbereitet werden. Die Höhe der voraussichtlich dieser bis 2013 gewährten Kredite ist noch unklar. Derzeit sei eine Finanzierungslücke von 25 bis 30 Milliarden allein für 2012 absehbar, schrieb das „Handelsblatt“.

Die Schuldenkrise war am Mittwoch auch Thema bei einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Berlin. Details zur der schon seit längerem vorbereiteten Unterredung wurden nicht bekannt.

Die Finanzminister der Euro-Zone wollen am kommenden Montag (16.5.) über zusätzliche Maßnahmen beraten. IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn soll an dem Treffen teilnehmen, auf dem auch das 78-Milliarden-Euro-Hilfspaket für Portugal abgesegnet werden soll. Dafür ist Einstimmigkeit erforderlich, als möglicher Wackelkandidat gilt Finnland. Die finnische Entscheidung wird an diesem Freitag erwartet.

Vor den abschließenden Verhandlungen der Finanzminister in Brüssel wollte am Mittwochabend in Berlin der Haushaltsausschusses des Bundestages über das Portugal-Paket beraten. Noch an diesem Donnerstag debattiert dann der Bundestag insgesamt über die Milliardenhilfen. Der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kotthaus, sagte, bei einem Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss und nach der Stellungnahme des Bundestages wäre die Bundesregierung gerüstet für das Finanzministertreffen der Euro-Gruppe und EU nächste Woche.

Bei den Streiks in Griechenland fielen wegen Arbeitsniederlegungen von Fluglotsen dutzende Inlandsflüge aus. Im internationalen Verkehr gab es Verspätungen. Weil auch Journalisten streikten, gibt es im Radio und Fernsehen bis zu diesem Donnerstagmorgen keine Nachrichten. Es war der zehnte große Streik seit Einführung des Spar-und Reformprogramms vor etwa einem Jahr.

Die Beteiligung an Kundgebungen in Athen blieb mit etwa 30 000 Menschen aber weit hinter der Zahl, welche die Gewerkschaften erhofft hatten. Vor rund einem Jahr hatten mehr als 300 000 Menschen gegen die Sparauflagen demonstriert.

Griechenland hängt am Finanztropf der Hilfsprogramme von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Insgesamt umfasst das Hilfspaket 110 Milliarden Euro. Im Gegenzug muss die griechische Regierung eisern sparen.

Da aber eine Rückkehr zur eigenständigen Finanzierung an den Kapitalmärkten derzeit unmöglich scheint, soll Athen nach Medienberichten ein weiteres Hilfspaket im Umfang von bis zu 60 Milliarden Euro erhalten, um einen drohenden Bankrott abzuwenden. Dann wären wohl noch härtere Auflagen nötig.

Laut EU-Kommissar Rehn soll Portugal für den EU-Teil seiner Hilfskredite - dies sind zwei Drittel der 78 Milliarden Euro - zwischen 5,5 und 6 Prozent Zinsen zahlen. Irland zahlt auch knapp 6 Prozent.

Merkel hatte am Dienstag betont, über mögliche Hilfen für Griechenland werde erst nach einer aktuellen Bewertung der Sparbemühungen entschieden. Die entsprechende Prüfung durch EU, IWF und EZB laufe noch bis Ende dieser Woche.

Auch für Frankreich sind Regierungsangaben zufolge neue Hilfszusagen für Griechenland keine beschlossene Sache. „Bislang ist keinerlei Entscheidung gefallen. Die Regierung muss zuerst ihre eigenen Ressourcen mobilisieren“, sagte Finanzministerin Christine Lagarde in einem Interview der Tageszeitung „Le Figaro“ (Mittwoch). Vor allem müsse das Privatisierungsprogramm schnell umgesetzt werden. Die Möglichkeit einer Umschuldung der griechischen Verbindlichkeiten schloss Lagarde weiter aus.