Griechenland-Krise: Streit um Umschuldung
Berlin/Athen/Brüssel (dpa) - Europa streitet über das zweite Rettungspaket für Schuldensünder Griechenland. Dessen Premier Giorgos Papandreou wehrt sich gegen den vor allem von Deutschland vertretenen Plan, private Gläubiger wie Banken und Versicherungen bei der Rettung des Krisenlandes in die Pflicht zu nehmen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte unterdessen davor, die Schuldenkrise im Euroraum drohe den Aufschwung in Deutschland zu gefährden. Merkel sagte in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast: „Wir dürfen nichts tun, was den Aufschwung weltweit insgesamt in Gefahr bringt und dann auch in Deutschland wieder in Gefahr bringen würde.“ Der Bankrott der US-Investmentbank Lehman Brothers habe in Deutschland 2009 zu einem Wirtschaftseinbruch von fast fünf Prozent geführt. So etwas müsse unbedingt verhindert werden.
Die Finanzminister der Eurozone wollen sich an diesem Dienstag in Brüssel treffen, wie in Kreisen der Eurogruppe bekanntgeworden war. Diplomaten rechnen damit, dass das neue Rettungspaket für Griechenland besprochen werden soll.
Griechenland steht vor der Staatspleite, wenn keine Lösung für das hoch verschuldete Land gefunden wird. Athen hatte bereits vor gut einem Jahr ein Paket von Europäern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) von 110 Milliarden Euro erhalten. Die nächste Tranche von 12 Milliarden Euro ist im Juli fällig - Athen braucht sie dringend, freigegeben ist sie noch nicht. Zudem geht es um ein neues Hilfspaket. Zuletzt war die Rede von einem Finanzbedarf in Höhe von 90 bis 120 Milliarden Euro, je nach Dauer und Einbindung der Gläubiger und möglicher Privatisierungserlöse.
In der Debatte ist eine „weiche“ Umschuldung Griechenlands, wie sie Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollen. Dabei würden die Rückzahlungsfristen für griechische Staatsanleihen verlängert, unter der Beteiligung privater Gläubiger. Banken sollen alte griechische Staatsanleihen gegen neue mit längerer Laufzeit von sieben Jahren umtauschen. Sie bekämen ihr Geld später, zu unveränderten Zinskonditionen zurück. Hinter dem Schäuble-Modell stehen laut Diplomaten unter anderen auch die Niederlande und Finnland.
Der griechische Ministerpräsident Papandreou dagegen sagte zu einer Beteiligung privater Gläubiger, die Idee sei zwar „in der Theorie richtig“. Sie habe aber bislang das Gegenteil bewirkt, die Märkte seien nervöser geworden, sagte Papandreou der Athener Sonntagszeitung „To Vima“. Er plädierte für eine Steuer auf Finanztransaktionen sowie für die Ausgabe von Euro-Anleihen (Eurobonds) aus. Wegen der harten Sparmaßnahmen brach die regierende sozialistische Partei Papandreous nach einer Umfrage in der Gunst der Wähler ein.
Juncker sagte im RBB-Inforadio, es werde eine „sanfte, freiwillige“ Umschuldung geben müssen. Für eine Einbeziehung privater Gläubiger müsse aber die Europäische Zentralbank (EZB) ins Boot geholt werden. Aus Sicht der EZB aber müssten sich Anleihebesitzer komplett freiwillig zu einem solchen Schritt entscheiden. Andernfalls könnte eine Umschuldungsaktion als Kreditausfall eingestuft werden, dies hätte dramatische Folgen.
Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnte vor Risiken. Zwar sei an dem Grundgedanken, private Gläubiger zu beteiligen, nichts falsch. „Im Gegenteil, es wäre sinnvoll, weil so die Gläubiger mit in die Verantwortung für ihre Anlageentscheidungen genommen werden, und es entlastet die Steuerzahler“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Es gehe allerdings um die Umsetzung. „Eine erzwungene Laufzeitverlängerung birgt in der konkreten Situation mehr Risiken als Chancen.“ So werde sie die Haushaltslage und die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen Griechenlands nur minimal verbessern.
Alles andere als eine rein freiwillige Lösung würde zudem wohl als Kreditereignis gewertet, und die Anleihen bekämen einen Ausfallstatus durch die Rating-Agenturen. „Damit könnten aber die Investoren das Vertrauen auch in andere angeschlagene Euro-Länder verlieren, und die Krise würde sich weiter ausbreiten.“ Weidmann warnte außerdem vor Folgen für die Notenbanken: „Ein vermutlich vergleichsweise kleiner Beitrag der Privaten würde mit Ansteckungsgefahren und einer höheren Risikoübernahme der Notenbanken erkauft. Dagegen wehren wir uns.“
Die Zahlungsfähigkeit Griechenlands hänge vor allem von der Haltung der griechischen Regierung und Bevölkerung ab, sagte Weidmann. „Werden die eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllt, entfällt die Basis für weitere Mittel aus dem Hilfsprogramm. Griechenland hätte dann diese Entscheidung getroffen und müsste die sicherlich dramatischen wirtschaftlichen Konsequenzen eines Zahlungsausfalls tragen.“ Der Euro werde aber auch in diesem Fall stabil bleiben.