Bundesgerichtshof Keine Kunst, kein Urheberschutz: BGH urteilt zu Birkenstock

Karlsruhe · Wie man auch zur Birkenstock-Sandale steht - das Design kennt wohl jeder. Aber sind die Schuhe Kunstwerke und dadurch urheberrechtlich geschützt? Der BGH sagt: Nein.

Keine Kunst, kein Urheberschutz: BGH urteilt zu Birkenstock
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Kunst liegt oft im Auge des Betrachters. Das zeigte sich am Donnerstag auch am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Das Modeunternehmen Birkenstock wollte vom obersten deutschen Zivilgericht einen Urheberschutz für seine Sandalen-Klassiker feststellen lassen. Es hält die Modelle für Werke der angewandten Kunst. Doch der BGH entschied anders. Nach dem Urteil hat Birkenstock die Hoffnung trotzdem nicht aufgegeben.

Konkret ging es in Karlsruhe um drei Klagen von Birkenstock gegen Konkurrenten, die ähnliche Schuhmodelle verkauften wie die eigenen. Das Modeunternehmen mit Hauptsitz in Linz am Rhein in Rheinland-Pfalz sah darin eine Verletzung des Urheberrechts. Es klagte unter anderem auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf der mutmaßlichen Nachahmungen.

BGH bestätigt Urteile aus Köln

Die Vorinstanzen waren sich in der Sache uneinig. Während das Landgericht Köln die Schuhmodelle zunächst als Werke der angewandten Kunst anerkannte und den Klagen entsprechend stattgab, wurden sie auf Berufung der beklagten Unternehmen vom Oberlandesgericht (OLG) Köln später abgewiesen. Das Gericht konnte keine künstlerische Leistung feststellen. Birkenstock legte gegen die Entscheidung Revision ein - sodass der Fall in Karlsruhe landete.

Der BGH bestätigte nun die Urteile des OLG. Das Gericht habe bei der Beurteilung die richtigen Maßstäbe gesetzt. So sei es etwa richtigerweise davon ausgegangen, dass für einen Urheberschutz ein rein handwerkliches Schaffen mit formalen Gestaltungselementen nicht ausreicht. Vielmehr müsse der Gestaltungsspielraum in einem bestimmten Maß künstlerisch ausgeschöpft werden. Das sei bei den Birkenstock-Sandalen nicht festgestellt worden. Die Darlegungslast liege bei dem, der den urheberrechtlichen Schutz beansprucht.

Die Wortmann-Gruppe, zu der die im Verfahren beklagte „shoe.com“-GmbH gehört, wertete das Urteil als Gewinn für die Schuh- und Modebranche. „Bei anderem Ausgang des Verfahrens wäre die Darlegungslast des Anspruchstellers in Bezug auf die erforderliche künstlerische Tätigkeit erheblich reduziert worden, was zu einer Angleichung von Designrecht und Urheberrecht mit nicht absehbaren Folgen für die Modeindustrie geführt hätte“, sagte Gesellschafter Jens Beining.

Urheberrecht schützt kreative Leistungen

Das Urheberrecht verleiht dem Schöpfer eines Werkes zunächst die exklusiven Nutzungsrechte an diesem Objekt. Dritte dürfen es also nicht ohne Erlaubnis wiedergeben oder vervielfältigen. Dieser Schutz bleibt bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bestehen. Karl Birkenstock - der Erfinder der Birkenstock-Sandale - lebt noch. Im Vergleich: Die Schutzdauer nach Designrecht beträgt maximal 25 Jahre. Anders als beim Designrecht braucht es für einen Urheberrechtsschutz außerdem keinen formalen Eintrag in ein Register.

Im Gegensatz zum Patent- oder Designrecht dient das Urheberrecht dem Schutz kreativer Leistungen. Urheberrechtlich geschützt sind somit etwa Musik, Schriftwerke, Filme, Fotografien, Computer-Programme - sowie Werke der bildenden oder angewandten Kunst.

„Der Porsche unter den Sandalen“

Bei Kunst würden die Meisten an Musikstücke oder Romane denken, erklärte Birkenstock-Sprecher Jochen Gutzy nach dem Urteil. Der Gesetzgeber habe aber über den Begriff der angewandten Kunst den Weg auch für einen Schutz von Gebrauchsgegenständen freigemacht. Deutsche Gerichte hätten das über die Jahre bestätigt - so etwa zu einem Porsche-Modell. In dieser Tradition sehe sich auch Birkenstock. „Wenn man so will, sind wir - jedenfalls in rechtlicher Hinsicht - so etwas wie der Porsche unter den Sandalen.“

Konkret ging es am BGH um vier Modelle: „Arizona“ (die Sandale mit zwei breiten Riemen, die 2023 im Hollywood-Film „Barbie“ besondere Erwähnung fand), „Madrid“ (mit einem Riemen), „Gizeh“ (mit Zehentrenner) sowie den Clog „Boston“. Dem Unternehmen nach sind es die Klassiker, die ihre Kunden typischerweise mit der Marke in Verbindung bringen.

Birkenstock kämpft weiter

Einen Urheberschutz haben diese Klassiker nach dem Urteil des BGH nicht. Für Birkenstock ist der juristische Kampf damit aber nicht vorbei. „Natürlich ist das Urteil heute eine Enttäuschung“, sagte Gutzy. Trotzdem wolle Birkenstock weiter vor Gericht gegen mutmaßliche Nachahmer vorgehen - auch im Ausland. „Wir werden auch die Wege zu den nationalen Gerichten in Italien, in Frankreich, in den Niederlanden weiter beschreiten.“

Birkenstock will das Thema sogar bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg bringen. In den EU-Staaten würden beim Urheberrecht nämlich unterschiedliche Maßstäbe angesetzt. „In Holland zum Beispiel ist ein Soßenspender als urheberrechtlich geschützt anerkannt worden“, erläuterte Birkenstock-Anwalt Konstantin Wegner. „Insofern ist vielleicht am Ende des Tages ein klärendes Wort des EuGH erforderlich.“

© dpa-infocom, dpa:250220-930-380470/2

(dpa)