Wirtschaft Digitalisierung ist DIE Antwort auf den Fachkräftemangel

Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus. Unternehmen müssen daher ihre Rekrutierungsprozesse überdenken zu revolutionieren. Der Schlüssel zum Personalerfolg ist dabei die zielgerichtete Digitalisierung.

Mit cleveren Prozessen den Fachkräftemangel besiegen.

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„Viel besser wird es nicht – Deutschlands Arbeitsmarkt hat den Höhepunkt erreicht“, meldete das Institut der deutschen Wirtschaft im Sommer 2022. Die Zahl der Erwerbstätigen hatte damals ein Rekordniveau erreicht – ein Niveau, von dem es in den kommenden Jahren nur noch bergab gehen wird. Bis zum Jahr 2035 wird die Bevölkerung im Erwerbsalter von 15 bis 64 Jahren nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft um rund drei Millionen schrumpfen.

Aufgrund der demografischen Verschiebung schlittert Deutschland mehr und mehr in das Fachkräftedefizit: „Im vergangenen Jahr gab es bundesweit im Schnitt rund 1.339.000 offene Stellen für qualifizierte Fachkräfte, aber nur 968.000 qualifizierte Arbeitslose. Rein rechnerisch fehlten dem Arbeitsmarkt somit mindestens 371.000 Fachkräfte. Erschwerend hinzu kommt, dass Angebot und Nachfrage regional sehr häufig nicht übereinstimmen“, heißt es in einer aktuellen Studie des Instituts von Ende März 2023. Und weiter: „Deutlich größer wird die Lücke, wenn die einzelnen Qualifikationen berücksichtigt werden: Ein Softwareentwickler kann nicht als Bauingenieur arbeiten und umgekehrt. Unter dieser Prämisse fehlen sogar 630.000 qualifizierte Arbeitskräfte. Zum Vergleich: So viele Menschen leben in Stuttgart. Und das Problem wird nicht kleiner: In diesem Jahr verlassen netto 260.000 Beschäftigte altersbedingt mehr den Arbeitsmarkt als Jüngere nachrücken, Tendenz steigend.“

Erwerbstätigenzahl sinkt, Arbeitskräftebedarf steigt

Was also tun, wenn der Bedarf an qualifizierten Fachkräften da ist? Zum einen muss die laufende Arbeit weiter erledigt werden. Und zum anderen müssen zahlreiche Transformationsprojekte gestemmt werden können. Die Mammutaufgabe dabei ist der Aufbau einer klimaneutralen Energiewirtschaft. So wird aktuell etwa ein Windrad pro Tag in Deutschland errichtet. Damit die ambitionierten Klimaschutzziele der Bundesregierung Wirklichkeit werden können, müssen es aber vier bis fünf Windräder täglich sein. Das erfordert eine immense Zahl neuer Ingenieurinnen und Ingenieure, neuer Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter, die die Windturbinen planen, über Deutschlands Autobahnen sicher an ihre Zielorte bringen und dort in Windeseile errichten.

Mit anderen Worten: Der Rekrutierungsbedarf gerade in ausgewählten Branchen und bei ausgewählten Tätigkeiten wird in den kommenden Jahren massiv zunehmen. Wie können sich gerade mittelständische Unternehmen im härter werdenden Wettstreit um Talente bemerkbar? „Arbeitgeber, die auf der Suche nach qualifiziertem Personal sind, sollten in ihrem Employer Branding proaktiv auf Entwicklungsmöglichkeiten und Rahmenbedingungen eingehen. Die Perspektive, sich bei einem Arbeitgeber individuell weiterentwickeln zu können, wirkt vor allem für junge, aufstrebende Talente attraktiv“, rät Julian Schubert, Gründer und CEO des Recruiting-Spezialisten One Hiring mit Sitz in Düsseldorf. Das Unternehmen ist fokussiert auf die Vermittlungen von Expertinnen und Experten im Bereich Finance und Tech.

Bewerbungsmarkt hat eine 180-Grad-Kehrtwende vollzogen

Doron Marcu, Chef des Online-Bewerbungsportals ZNAPP, unterstreicht, dass sich der Arbeitsmarkt um 180 Grad gedreht hat. Daher basiert ZNAPP auch auf der Idee, dass Bewerberinnen und Bewerber dort eine aussagekräftige Mappe von sich hinterlegen – und sich danach die interessierten Firmen bei den Talenten vorstellen.

Sein Rat für Unternehmen mit steigendem Personalbedarf: „Eine echte Lösung für die Unternehmen kann sein, die Ansprüche an nicht so wesentlichen Faktoren zu reduzieren und den Fokus auf die für die jeweilige Rolle benötigten Fähigkeiten auszurichten. Leider passiert das noch viel zu selten. Es wird zu oft vergessen, dass es sich längst nicht mehr um einen Wettbewerb im Bewerben unter Kandidaten handelt, sondern einen um qualifiziertes Personal zwischen Unternehmen.“

Zudem hat Marcu ausgemacht, dass sich Unternehmen „zu sehr mit der Organisation und dem Management der massenhaften Bewerbungen anstelle von offensichtlicher Wertschätzung, echtem persönlichen Interesse an den Bewerbern und der Berücksichtigung ihrer individuellen Bedürfnisse und Wünsche beschäftigen“. Mit anderen Worten: Unternehmen betreiben bei der Personalsuche zu viel und falschen Aufwand.

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Social Media schlägt als Anzeigenort die Tageszeitung um Längen

Michael Volosinovszki, Teamleiter Vertrieb bei schnellstelle.de, rät dazu, neue Wege bei der Personalsuche einzuschlagen. Das Unternehmen aus Markkleeberg bei Leipzig versteht sich als Ansprechpartner für alle Fragen zum Recruiting, Active Sourcing, Bewerbermanagement und Konzeption von Arbeitgebermarken-Strategien. Die klassische Stellenanzeige in der Tageszeitung ist in vielen Fällen überholt – und erreicht nicht die Durchschlagskraft von Stellenanzeigen auf digitalen Plattformen, allen voran dem Recruiting via Social Media. „Damit lassen sich auch passiv suchende Kandidatinnen und Kandidaten ansprechen“, sagt Volosinovszki. Außerdem rät er gerade mittelständischen Unternehmen mit begrenzten hauseigenen HR-Abteilungen dazu, mit externen Partnern oder Agenturen beim Personalmarketing zu kooperieren. Unter dem Strich sei die Zusammenarbeit mit HR-Profis, die sich täglich mit Wording oder Gestaltungsfragen, aber auch dem Monitoring von HR-Kampagnen beschäftigen würden, die klügere und günstigere Entscheidung, als es selbst zu erledigen.

Die Antwort schlechthin auf die Herausforderungen bei der Personalgewinnung lautet nach übereinstimmender Meinung von Volosinovszki, Marcu und Schubert: Digitalisierung. Schubert: „Digitale Transformation bewirkt, dass komplexe Prozesse vereinfacht und somit Ressourcen und Personal befreit werden, welche anderweitig eingesetzt werden können – zum Beispiel im Recruiting. Bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden kann mittlerweile auf digitale Hilfsmittel zurückgegriffen werden, beispielweise in Form von KI-unterstützter Vorauswahl. Darüber hinaus eröffnet die Nutzung digitaler Plattformen einen erheblich größeren Kandidatenpool als herkömmliche Wege.“

Bewerbermanagementsystem als zentrales Dashboard ratsam

Experte

schätzt die neuen technischen Optionen – etwa „die Möglichkeit, Bewerbungsgespräche oder Assessmentcenter online und remote durchführen zu können mit Videocalls“. Das reduziert den Reiseaufwand und bringt auch weiter entfernte Kandidatinnen und Kandidaten unbürokratisch mit den Unternehmen in Kontakt. In den Unternehmen führt die Digitalisierung nach seiner Beobachtung zu viel schnelleren Abläufen und zum verbesserten Datenmanagement. Volosinovszki: „Optimal ist ein Bewerbermanagementsystem zur Bearbeitung aller eingehenden Bewerbungen.“

ZNAPP-Chef Marcus sieht noch Luft nach oben, weil manche Firma schlichtweg bei der Digitalisierung die Bedürfnisse der Bewerberinnen und Bewerber außen vor lassen: „Ein Onlineformular, das mittlerweile fast jeder größere Arbeitgeber anbietet, ignoriert, dass die Bewerber die Informationen bei jedem Arbeitgeber immer wieder neu ausfüllen müssen und dass obwohl die meisten Informationen bereits im mitübermittelten Lebenslauf vorhanden sind. Das ist keine talentfreundliche Lösung. Das führt zu Absprüngen potenziell geeigneter Kandidaten.“

Recruiting geschieht nach seiner Analyse heute mit aus der Historie gewachsenen Lösungen, die vermeintlich digitalisiert sind, aber dennoch dem Stand von vor über 100 Jahren entsprechen. Marcu fragt: „Warum muss ein Unternehmen Stellenanzeigen kaufen, wenn es eigentlich Kontakte will? Hierzu sind smartere Lösungen bereits in Vorbereitung, die zu schnelleren und kostengünstigeren Ergebnissen führen. AI und Matching sind hier das Thema. Kandidatinnen und Kandidaten melden, dass sie verfügbar sind, stellen sich und ihre Fähigkeiten vor – und Unternehmen haben sofort die Möglichkeit, sich bei verfügbaren und passenden Kandidatinnen und Kandidaten zu bewerben.“