Kirch-Pleite: Razzia bei Deutscher Bank
München (dpa) - Der seit Jahren schwelende Rechtsstreit um milliardenschweren Schadenersatz für die Pleite des Medienzars Leo Kirch eskaliert.
Die Staatsanwaltschaft München verdächtigt Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, im Mai im Zivilverfahren vor dem Münchner Oberlandesgericht falsche Angaben gemacht zu haben und durchsuchte auch Ackermanns Büro in Frankfurt. Die Razzia fand nach Angaben einer Behördensprecherin bereits in der vergangenen Woche statt. Die Bank wehrt sich gegen die Vorwürfe - und gegen die Richter des Zivilverfahrens.
Vor allem Richter Guido Kotschy werfen die Anwälte der Bank Befangenheit vor und stoppten mit einem entsprechenden Antrag am Montag das Verfahren (Akt: 5U 2472/09) zunächst. Damit platzte auch die Aussage von Verlegerin Friede Springer, die bereits im Saal Platz genommen hatte. Ein Sprecher der Kirch-Seite sagte, es handle sich bei dem Antrag um ein durchsichtiges Manöver, auch um die Aussage zu verhindern.
Nicht nur Ackermann, auch Aufsichtsratschef Clemens Börsig sowie der frühere Personalvorstand Tessen von Heydebreck und Ackermann-Vorgänger Rolf Breuer sind im Visier der Ermittler. Nach Angaben eines Bank-Sprechers wurde auch Breuers Wohnung durchsucht. Überraschend teilte die Deutsche Bank am Montagabend mit, dass Ackermann nicht mehr für einen Wechsel an die Spitze des Aufsichtsrates zur Verfügung stehe. Statt dessen solle Allianz-Vorstand Paul Achleitner in das Gremium wechseln.
Den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft widersprach ein Banksprecher: „Wir weisen die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft als haltlos und das Vorgehen als unverhältnismäßig zurück.“ Die Manager sollen bei ihren Aussagen im Mai zu einer Vorstandssitzung der Bank am 29. Januar 2002 Angaben gemacht haben, die nach Meinung der Richter nicht zum englischen Protokoll der Sitzung passen sollen.
In dem Schriftstück ist vermerkt, die Bank erwäge, Kirch ein Mandat anzubieten - also beratend für den Medienzar tätig zu werden. Wenig später gab der damalige Bank-Chef Breuer ein Interview, in dem er die Kreditwürdigkeit Kirchs anzweifelte. Wochen danach brach Kirchs Imperium zusammen. Nach den Aussagen von Ackermann hatte die Bank aber kein Interesse an einem Mandat von Kirch.
Das Gremium habe am 29. Januar zwar zugestimmt, mit Kirch wegen eines solchen Beratungsmandats zu sprechen. „Das war für uns eher eine Vorsichtsmaßnahme“, sagte Ackermann im Mai. Die Bank habe sich angesichts möglicher Anfragen anderer Interessenten nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, ohne Rücksprache Mandate gegen den eigenen Kreditkunden anzunehmen. Genau das bezweifelt das Gericht, den englischen Wortlaut sollen aber noch zwei Gutachter übersetzen.
Der Mitte Juli verstorbene Kirch hatte zeitlebens die Bank und Breuer für den Untergang seines Unternehmens 2002 verantwortlich gemacht. Beide überzog der Medienmogul mit einer wahren Prozessflut, um zu beweisen, dass hinter seiner Pleite nicht geschäftliches Versagen, sondern eine Verschwörung der Bank steckt. Bisher hatte die Kirch-Seite dabei vor Gericht nur wenig Erfolg verbuchen können. Im aktuellen Verfahren prüft das Oberlandesgericht mit vielen prominenten Zeugen die Umstände der spektakulären Pleite 2002.
Die Anwälte der Bank machten mit ihrem Befangenheitsantrag die bereits seit längerem laufenden Ermittlungen erst öffentlich. Sie hatten in den Akten einen Schriftwechsel zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft entdeckt, die in den normalen Akten nicht zu finden seien. Darin sehen sie eine Absprache, die zeige, dass das Gericht sich bereits eine Meinung gebildet habe - zumal der Kontakt bereits im März begonnen habe, also vor der Aussage Ackermanns.
Auch andere Einschätzungen der Richter zeigten, dass sie auf eine Richtung festgelegt seien. Es gebe Zeugenaussagen, die dem Senat „nicht ins Konzept“ passten. „Das ist schon ein merkwürdiger Vorgang“, sagte Anwalt Peter Heckel. Kirch-Anwalt Peter Gauweiler sieht wenig Chancen für die Bank. „Der Antrag ist absurd“, sagte er.
Über die mögliche Befangenheit des Senats müssen nun andere Richter entscheiden, bis dahin sind alle bereits geplanten Termine abgesagt. Sollte der Antrag abgelehnt werden, könnte das Verfahren mit neuen Terminen fortgesetzt werden. Sollte er Erfolg haben, würde der Senat mit neuen Richtern weitertagen - könnte aber die gesamte Beweisaufnahme wiederholen. Beobachter bezweifeln allerdings, dass das Verfahren noch in diesem Jahr weitergehen wird. Auch mehr als 120 Tage nach dem Tod Kirchs hat der Streit nichts von seiner Sprengkraft verloren und wird Anwälte und Richter wohl noch lange beschäftigen.