Kranich sucht Kurs: Lufthansa streicht 3500 Stellen
Frankfurt/Main (dpa) - Nach einem tiefroten Start ins Jahr 2012 streicht die einst erfolgsverwöhnte Lufthansa die ersten Jobs. Von weltweit 16 800 Vollzeitstellen in den Verwaltungen der verschiedenen Konzerngesellschaften sollten 3500 wegfallen, kündigte Vorstandschef Christoph Franz am Donnerstag in Frankfurt an.
Der vor allem auf deutsche Standorte konzentrierte Abbau ist Teil des von Spekulationen umwitterten Sparprogramms „Score“, das bis 2015 jährliche Ergebnisverbesserungen von 1,5 Milliarden Euro bringen soll.
Von den 11 500 deutschen Verwaltungsjobs sollen 2500 gekappt werden, sagt Franz, und schließt erneut betriebsbedingte Kündigungen ausdrücklich nicht aus. Aus seiner Sicht ist der rigide Sparkurs, bei dem allein die Personaleinsparungen 500 Millionen Euro bringen sollen, alternativlos: „Wir kommen nicht drum herum, unsere Strukturen anzupassen.“
Die Gewerkschaft Verdi kritisiert umgehend die hohen Sparvorgaben des Vorstands beim Personal. „Das sind absolut unrealistische Planungen“, sagte Vorstandsmitglied Christine Behle der Nachrichtenagentur dpa. Derzeit betrügen die Personalkosten im Konzern weniger als 25 Prozent. Zusammen mit den anderen Gewerkschaften Vereinigung Cockpit (VC) und der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO) werde man eine Strategie verabreden und vom Vorstand ein schlüssiges Gesamtkonzept einfordern. Inakzeptabel seien betriebsbedingte Kündigungen und Absenkungen bei den Tarifverträgen.
Manche Beschäftigte sehen nicht ein, dass sie für neue Flugzeuge bluten sollen, wie sie Lufthansa am Mittwoch mit der weltweit ersten Passagier-Boeing 747-8 in den Dienst genommen hat. 170 Jets mit einem Listenpreis von über 17 Milliarden Euro sind fest bestellt, die Flotte muss dringend jünger, leiser und angesichts der Kerosinpreise vor allem effizienter werden, mahnt Konzernchef Franz. Um das alles zu bezahlen und neue Schulden zu vermeiden, müsse das operative Geschäft einfach mehr abwerfen, warnt auch LH-Aufsichtsratschef Jürgen Weber.
Doch nicht nur die Belegschaft wüsste gerne, wohin die Reise gehen soll. Lufthansas Geschäftsmodell gerät von zwei Seiten unter Druck: Vor allem zu Zielen in Asien und Afrika haben die staatlich gestützten Golf-Carrier wie Etihad Airways und Emirates einen heftigen Preis- und Servicekrieg gestartet. In Europa operieren Billigflieger wie Ryanair und EasyJet zu einem Bruchteil der Lufthansa-Kosten.
Lufthansa reagiert bislang mit einem operativen Zusammenschluss der dezentralen Lufthansa-Flüge mit der Billigtochter Germanwings. Welches Produkt die Kunden bevorzugen, müsse die Zukunft weisen, sagt Franz und hinterlässt weitere Fragezeichen. Die Zukunft der Marken sei noch nicht entschieden, Spekulationen um eine neue Billigtochter Direct4You stammten aus der Gerüchteküche. „Wir leben in einer Welt, in der wir auf Sicht fliegen“, sagt der Chef von Europas umsatzstärkster Fluggesellschaft. Auf Dauer müssten sich die Belastungen der Unternehmen in höheren Preisen wiederfinden.
Den Expansionskurs unter seinem Vorgänger Wolfgang Mayrhuber hat der kühle Franz längst rückgängig gemacht. Die Gründung einer Tochter in Italien ist ebenso kostenträchtige Geschichte wie Jade Cargo in China oder British Midland, die nur unter hohen Verlusten an die British Airways-Mutter IAG abgestoßen werden konnte. Auch bei der österreichischen Sorgentochter Austrian Airlines (AUA) ist unter Franz Schluss mit lustig: Da das Kabinenpersonal bislang nicht auf einen neuen Tarifvertrag umgeschwenkt ist, will die Mutter den AUA-Betrieb auf die tariflich weit billigere Tochter Tyrolean verlagern - erhebliche Prozessrisiken um Abfindungen und Pilotenrenten inklusive. Erfolgreich arbeitet nur die durch zwei Sanierungen gestählte Swiss.
Vor allem die hohen Treibstoffpreise haben Lufthansa das erste Quartal vermiest. Zwar stieg der Umsatz trotz des Frankfurter Vorfeldstreiks überraschend stark um fast sechs Prozent auf 6,6 Milliarden Euro. Doch die um 23 Prozent gestiegene Treibstoffrechnung fraß alles wieder auf. In der Folge stieg der operative Quartalsverlust gegenüber dem Vorjahr um mehr als die Hälfte auf 381 Millionen Euro.
Von weiteren Zukäufen will man bei Lufthansa nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre erstmal nichts mehr wissen. Die zahlreich angebotenen Fluggesellschaften seien sämtlich in der Verlustzone unterwegs und hätten erheblichen Sanierungsbedarf, sagt der scheidende Finanzvorstand Stephan Gemkow. Die Probleme im eigenen Haus ließen einstweilen keine Langeweile aufkommen.