Krisenfeuerwehr EZB fordert mehr Einsatz von der Politik
Barcelona/Frankfurt (dpa) - Die Misere Spaniens bringt Europas Währungshüter nicht von ihrem Kurs ab.
Weiteren Hilfen für die von der Schuldenkrise gebeutelten Eurostaaten erteilte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag eine Absage - ausgerechnet in Barcelona, wo der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) ausnahmsweise tagte. Der Leitzins verharrt weiterhin auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent, über eine weitere Senkung diskutierte der EZB-Rat überhaupt nicht.
Stattdessen nahm Draghi die Politik in die Pflicht. „Wir müssen einen Pfad für den Euro festlegen: Wo wollen wir in zehn Jahren stehen?“, sagte der Italiener. „Eine Transferunion kann nicht der Ausgangspunkt dafür sein.“ Draghi sprach sich erneut dafür aus, den angestrebten Fiskalpakt für mehr Budgetdisziplin durch einen Wachstumspakt zu flankieren: „Ein Wachstumspakt kann bedeuten: Wir brauchen eine Fortsetzung der Strukturreformen, unterschiedlich für alle Länder. Es gibt aber gemeinsame Themen.“ Draghi forderte unter anderem einen entschlossenen Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit, zudem müssten die Arbeitsmärkte flexibler werden.
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann unterstützte die Forderung nach einem Wachstumspakt. In einem Interview mit dem Deutschen Anleger Fernsehen (DAF) nannte Ackermann die hohe Arbeitslosigkeit eine „Zeitbombe“: „Daher müssen wir so schnell wie möglich schauen, wie wir auch stärkeres Wachstum generieren können.“ Die Sanierung der Haushalte dürfe dem jedoch nicht geopfert werden, betonte Ackermann.
Viele europäische Länder hätten Fortschritte bei der Sanierung ihrer Haushalte gemacht, befand Draghi. Ausdrücklich lobte er den Kurs der konservativen Regierung Spaniens unter Premier Mariano Rajoy: „Diese Reformen sind ein wirklich bedeutsamer Versuch, die Dinge ins rechte Lot zu bringen. Das müssen wir anerkennen.“
Die Notenbank habe mit ihrer jüngsten Flut extrem billigen Geldes ihren Beitrag zur Entspannung der Märkte geleistet, betonte Draghi. Es dauere, bis das Geld in der Wirtschaft ankomme. Im Dezember und Februar hatte die EZB den Banken zu sehr günstigen Konditionen Geld für bis zu drei Jahre angeboten. Die Institute liehen sich gut eine Billion Euro. In den vergangenen Wochen war spekuliert worden, die EZB könnte Wackelkandidaten wie Spanien dadurch unter die Arme greifen, dass sie wieder in größerem Umfang Staatsanleihen aufkauft. Seit Wochen verharrt das Volumen des umstrittenen, seit zwei Jahren laufenden Programms bei 214 Milliarden Euro. Draghi bekräftigte: „Das Programm besteht weiter, ist aber nicht unbegrenzt.“
Immobilienblase und Bankenkrise, Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit belasten Spanien. Gegen die Sparpläne der Regierung formiert sich Widerstand, schlechtere Bonitätsnoten der Rating-Agentur Standard & Poor's (S&P) setzen die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone zusätzlich unter Druck.
Aus Sorge vor Krawallen linksradikaler Gruppen zur EZB-Sitzung mobilisierten die Behörden das größte Polizeiaufgebot seit den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona. Insgesamt 8000 Beamte waren im Einsatz. Die Anspannung war spürbar: Überall in der Stadt zeigten Sicherheitskräfte Präsenz, immer wieder kreisten Polizeihubschrauber über der Metropole. Sowohl das Tagungshotel als auch der Ort der EZB-Pressekonferenz wurde hermetisch abgeriegelt. Zwischenfälle blieben aus. Zwar protestierten Studenten gegen höhere Studiengebühren. Die Polizei sprach von 7000 Teilnehmern. Diese friedliche Kundgebung hatte aber nichts mit der EZB zu tun.