Kritik am designierten ThyssenKrupp-Chefaufseher
Essen (dpa) - Noch vor seinem Amtsantritt ist Ulrich Lehner als designierter Chef des ThyssenKrupp-Aufsichtsrats in die Kritik geraten. Aktionäre sehen den Neuanfang in Gefahr. Als einfaches Mitglied habe der designierte Chef Fehlentscheidungen der Vergangenheit mitgetragen, hieß es.
„Für einen Neuanfang wäre es hilfreicher gewesen, wenn der neue Vorsitzende von außen gekommen wäre“, sagte Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Hechtfischer kündigte an, dass die DSW weiterhin auf eine Sonderprüfung bei ThyssenKrupp wegen zurückliegender Kartell-und Korruptionsfälle dringen werde. „Unser Anwalt steht schon in den Startlöchern“, sagte er. Noch völlig unklar seien auch die Auswirkungen des aktuellen Verdachts auf Preisabsprachen bei Stahl-Lieferungen an die Automobilindustrie. Die jüngsten Ermittlungen des Bundeskartellamts waren erst vor knapp zwei Wochen nach Durchsuchungen bei ThyssenKrupp sowie bei den Stahlkonzernen ArcelorMittal und Voestalpine bekanntgeworden,
Der Geschäftsführer des Dachverbands der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, Markus Dufner, wies darauf hin, dass Lehner als langjähriges Mitglied des ThyssenKrupp-Aufsichtsrats auch die Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre mitgetragen habe. Unklar sei auch der künftige Einfluss der mächtigen Krupp-Stiftung auf das Kontrollgremium, meinte Dufner. Die Krupp-Stiftung ist mit einem Anteil von 25,3 Prozent wichtigster Großaktionär des Konzerns.
Das Unternehmen hatte am Vortag mitgeteilt, dass Lehner bei einer Sondersitzung des ThyssenKrupp-Aufsichtsrats am kommenden Dienstag die Nachfolge von Gerhard Cromme als Vorsitzender des Gremiums übernehmen soll. Cromme hatte in der vergangenen Woche überraschend seinen Rückzug aus dem Unternehmen zum 31. März angekündigt. Lehner ist bereits seit 2008 einfaches Mitglied im ThyssenKrupp-Aufsichtsrat.
Lehner hatte angekündigt, den Aufsichtsrat parallel zur Neuausrichtung des Konzerns neu aufzustellen und sich nach einer ganzen Serie von Kartell-Vorwürfen auch verstärkt um das Thema saubere Unternehmensführung kümmern zu wollen. Um sich den neuen Aufgaben besser widmen zu können, werde der künftige Chef des Aufsichtsrats auch auf andere Mandate verzichten, hieß es. Nähere Angaben dazu wollte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage nicht machen.
Lehner ist unter anderem Telekom-Aufsichtsratsvorsitzender. Beim Schweizer Pharmakonzerns Novartis, der wegen einer umstrittenen Millionenabfindung für den scheidenden Präsidenten unter Druck steht, ist Lehner Mitglied des Verwaltungsrats und derzeit vorübergehend Leiter des Gremiums.