Lehman-Pleite: Der „schwarze Montag“ und die weltweite Schockwelle
Der 15. September 2008 markiert den Beginn der Wirtschaftskrise und zerrüttete das Vertrauen in Banken.
Brüssel/New York. Freitagabends, den 12. September 2008, waren Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Bundesbankchef Axel Weber im Kreise von Journalisten noch guter Dinge. Gewiss, an der Wall Street gab es Spekulationen über Schieflagen großer Adressen. Aber erstens hatte die US-Regierung doch bewiesen, dass sie Investmentbanken wie Bear Stearns nicht fallen lässt, weil sie sonst andere Geldhäuser mit in den Abgrund ziehen könnten. Und zweitens zeigten sich die meisten deutschen Banken bisher krisenfester als die US-Investmentboutiquen wie Merrill Lynch oder Lehman - jene Geldhäuser, um die sich seit Tagen Gerüchte rankten.
Vielleicht hätte es die Finanzjournalisten stutzig machen müssen, dass der Bundesbankchef noch nach Mitternacht mehrfach auf seinem Handy angerufen wurde. Drei Tage später, am Montag, 15. September, wurde klar, warum die Anrufer so dringend mit ihm sprechen wollten: Lehman Brothers musste Konkurs anmelden.
Der Versuch eines Notverkaufs war misslungen. Erstens, weil die Bank of America zeitgleich eine andere Wall-Street-Zockerbude vor der Pleite rettete: Merrill Lynch. Und zweitens, weil die US-Regierung nicht länger staatliche Milliarden in die Rettung von Investmentbanken pumpen wollte. Leider musste sie später erkennen, dass die Steuerzahler eine doppelt und dreifach so hohe Rechnung zahlen mussten: Die Lehman-Pleite löste ein weltweites Banken-Beben aus.
Lange waren die Investmentbanken der Inbegriff der Wall Street gewesen: Sie gingen riskante Geschäfte ein und verdienten dank minimaler Anforderungen etwa an die Kapital-Polster besonders gut - doch mit der Immobilien- und Finanzkrise waren sie gerade dadurch besonders bedroht. Das Problem bei Lehman waren die hohen Bestände an faulen Krediten und Wertpapieren. Die Bank bekam am Kreditmarkt kein Geld, weil Geschäftspartner schon ihre Pleite befürchteten.
"Tell me why I don’t like Mondays" - Sag mir, warum ich Montag nicht leiden kann: An jenem "schwarzen Montag" dürfte der Hit der Boomtown Rats präzise die Stimmung bei Bankern und Börsianern beschrieben haben. Das Aus für Lehman, die Notrettung von Merrill Lynch und zusätzliche Hiobsbotschaften des Versicherungsriesen AIG erschütterten weltweit das Vertrauen in die Solidität der Banken, die sich auch untereinander kein Geld mehr leihen mochten. Denn niemand war mehr sicher, es zurückzubekommen. Das Argument: Wenn schon ein Schwergewicht wie Lehman fallengelassen wurde, kann das jedem passieren.
An den Börsen verloren Bankaktien zweistellig an Wert, weil klar war, dass alle großen Adressen Geschäfte mit Lehman abgeschlossen hatten - und deshalb jetzt Forderungen oder getroffene Absicherungen in den Wind schreiben konnten.
Europas Regierungen registrierten mit wachsender Sorge, in welchem Tempo das Vertrauen selbst in Größen der Finanzbranche schwand. Frankreichs Regierungschef Nicolas Sarkozy rief gleich mehrfach Europas Finanz- und Staatschefs zusammen, um sie vor Kameras schwören zu lassen: Kein zweites Lehman! Europa werde dafür sorgen, dass keine "systemrelevante Bank" klamm wird.
Nach Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich haben die großen Länder in Nordamerika und Europa mittlerweile mehr als fünf Billionen Euro für Rettungshilfen und Garantien ausgegeben. Dafür haben sie eine weitere Bankenpleite verhindert. Die hätte - wegen der bis heute angespannten Situation auf dem Geldmarkt - dann womöglich nicht nur einen Domino-Effekt, sondern eventuell sogar einen Lichterketten-Effekt ausgelöst: Falls eine Birne durchbrennt, wird es auf einen Schlag zappenduster.