Lehman-Pleitebanker drohen straffrei auszugehen
New York (dpa) - Auch zweieinhalb Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers bleiben die Verantwortlichen unbehelligt.
Die Führungsriege mit Bankchef Richard Fuld an der Spitze könnte sogar gänzlich ungeschoren davonkommen, schrieb das „Wall Street Journal“ am Samstag unter Berufung auf Kenner der Situation. Die Hürden für eine Anklage seien entmutigend hoch, hieß es. Die Ermittler seien sich unsicherer denn je, ob sie Fuld und seinen Mannen Verfehlungen nachweisen könnten.
Die Börsenaufsicht SEC, die bei dem Fall an vorderster Front kämpft, wollte die Lehman-Banker eigentlich über ihre Bilanztricksereien festnageln. Es ist mittlerweile auch unstrittig, dass die Bank sich schöngerechnet hat und damit ihre wahre Lage verschleierte, die im September 2008 in die Pleite führte. Der Bankrott hatte Schockwellen an den internationalen Finanzmärkten ausgelöst und gipfelte in der Wirtschaftskrise. Allerdings scheinen die Buchungsmanöver, so fragwürdig sie sind, legal gewesen zu sein.
Für die Ermittler ist es äußerst schwierig, eine wasserdichte Anklage zustande zu bringen. Zwei ehemalige Fondsmanager der untergegangenen US-Investmentbank Bear Stearns kamen im November 2009 mit Freisprüchen davon. Der Prozess galt damals als Testlauf für mögliche weitere Verfahren. Den Wall-Street-Profis war vorgeworfen worden, ihren Kunden die Probleme der Fonds bewusst verschwiegen zu haben. Die Anleger verloren viel Geld in der Krise.
Bis dato musste lediglich der Chef des einst größten US-Immobilienfinanzierers Countrywide, Angelo Mozilo, eine Millionenstrafe an die Börsenaufsicht SEC zahlen, weil er seine Aktionäre über die gefährlichen Geschäfte seiner Firma auf dem Hypothekenmarkt im Unklaren gelassen hatte. Eine Schuld hatte Mozilo im Rahmen des geschlossenen Vergleichs allerdings nie eingeräumt; ein parallel laufendes Strafverfahren gegen ihn wurde letztlich eingestellt.
Lehman-Brothers-Chef Fuld hatte sich im Nachhinein ahnungslos über die Bilanztricksereien in seinem Haus gegeben. „Ich habe überhaupt keine Erinnerung jedweder Art daran, in meiner Zeit als Lehman-Chef etwas über Repo-105-Transaktionen gehört zu haben“, sagte Fuld, als ein Kongressausschuss ihn im April 2010 mit den Entdeckungen konfrontierte. Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young hatten die Buchungsmanöver stets durchgewunken. Auch um das Verfahren der New Yorker Generalstaatsanwaltschaft gegen diese Gesellschaft ist es aber still geworden.
Lehman Brothers hatte sich wie so viele andere Banken mit zweitklassigen US-Hypothekenpapieren verspekuliert. Die Gefahr wurde aber zu spät erkannt. Der Buchungstrick, den ein Sonderermittler vor einem Jahr aufdeckte, nannte sich „Repo 105“. Dabei ließ Lehman Brothers Quartal für Quartal bis zu 50 Milliarden Dollar an Schulden kurzzeitig verschwinden. Die Bank verkaufte dafür zum Schein Wertpapiere und nahm Bares ein. Nur Tage nach der Bilanzvorlage nahm Lehman diese Wertpapiere jedoch wieder zurück und musste dafür natürlich zahlen. Die Anleger erfuhren nichts von dem Schachzug.
Auch andere Institute wie die staatlich gerettete Bank of America gerieten ins Zwielicht, sich Buchungstricks bedient zu haben. Die einzigen Banker, die bislang allerdings für ihre Verfehlungen bluten mussten, stammen aus Regionalbanken. Die staatliche Einlagensicherung FDIC verlangt einen Milliardenbetrag zurück. Sie musste bei den Bankpleiten einspringen und die Kundengelder retten. Zwar kommt es gewöhnlich nur bei jeder vierten Pleite zu einem Verfahren. Doch wenn die Einlagensicherung vor Gericht zieht, sind die Erfolgsaussichten nicht schlecht: Zwischen 1986 und 2009 sammelte sie auf diesem Wege 6,2 Milliarden Dollar ein.