Lokführer: Höhere Schlagzahl im Arbeitskampf
Berlin (dpa) - Die Lokführer wollen im laufenden Arbeitskampf die Schlagzahl erhöhen. Der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft, Claus Weselsky, drohte in der „Welt am Sonntag“ schneller „getaktete“ Streiks an.
„Die einzelnen Streikaktionen kommen schneller hintereinander“, sagte er.
„Wir werden - falls nötig - im Güter- und Personenverkehr öfter hintereinander streiken. Und wir werden länger streiken als 2007. Das erhöht den Druck. Aber es wird keine unbefristeten Streiks geben.“ Die Bundesregierung verlangt unterdessen eine schnelle Lösung des Tarifkonflikts. Derweil stößt die GDL bei einer Mehrheit der Bundesbürger durchaus auf Wohlwollen.
Weselsky hat der Arbeitgeberseite vor neuen Streiks Zeit bis Dienstag Mitternacht gegeben, um einen neues Angebot vorzulegen. Es geht ihm vor allem auch um einheitliche Tarife bei allen Bahnbetreibern. Nach mehreren Warnstreiks hatte die GDL am Mittwoch und Donnerstag erstmals für mehrere Stunden Güter- und Personenverkehr parallel bestreikt und damit den deutschen Bahnverkehr teilweise lahmgelegt.
Die Deutsche Bahn (DB) kritisierte die GDL-Taktik als „überflüssige Muskelspiele“ und forderte die Gewerkschaft zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. „Es ist widersinnig: Die GDL will Druck auf die Wettbewerber der DB ausüben und droht uns permanent weiter mit Streiks. Das versteht niemand mehr“, so DB-Personalvorstand Ulrich Weber am Sonntag. „Fast alle GDL-Forderungen haben wir erfüllt. Wir sind die einzige Bahn, die einen Flächentarifvertrag für alle Lokomotivführer noch unterstützt. Noch mehr Brücken können wir der GDL nicht bauen. Jetzt ist die GDL am Zug.“
Trotz allen Ärgers für Pendler und Bahnreisende stoßen die Lokführerstreiks einer Umfrage zufolge bei der Mehrheit der Bevölkerung auf Sympathie. Wie „Bild am Sonntag“ berichtet, fanden 58 Prozent in einer repräsentativen Emnid-Umfrage den Streik der Lokführer richtig. 41 Prozent hielten ihn für falsch. Im Westen sei die Zustimmung zum Streik mit 59 Prozent deutlich größer als in Ostdeutschland, wo nur jeder zweite Befragte (50 Prozent) den Arbeitskampf befürwortet. Emnid befragte der Zeitung zufolge am Donnerstag insgesamt 501 Personen.
Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) forderte Bahn und GDL auf, den Tarifkonflikt unverzüglich zu lösen. „Ich appelliere an die Tarifpartner, sich sofort an den Verhandlungstisch zu setzen und ernsthaft eine sachliche Lösung zu finden“, sagte er „Bild am Sonntag“: „Diese Streiks schaden nicht nur der Bahnbranche, sondern dem ganzen Land. Denn der Schienenverkehr ist für das Funktionieren unseres Wirtschaftssystems unverzichtbar.“
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ermahnte beide Seiten, auf die volkswirtschaftlichen Interessen Deutschlands Rücksicht zu nehmen: „Wichtig ist mir als Wirtschaftsminister, dass sie dabei immer auch die Belange der Kunden und der Volkswirtschaft als Ganzes im Auge behalten.“
Die GDL will einheitliche Tarifstandards für etwa 26 000 Lokführer im Nah-, Fern- und Güterverkehr durchsetzen - egal, bei welchem Betreiber sie arbeiten. Eine Kernforderung sind einheitliche Einkommen auf dem Niveau des Marktführers Deutsche Bahn sowie fünf Prozent Aufschlag - auch bei den großen Bahn-Konkurrenten Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und Hessische Landesbahn. Die GDL hatte die Verhandlungen mit der Bahn Ende Januar abgebrochen und für gescheitert erklärt.
Die Bahn hat zuletzt in einem Schreiben vom vorigen Montag, das der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegt, Weselsky ein Gespräch vorgeschlagen. Darin bot sie der GDL erstmals an, einen Rahmentarifvertrag für Lokführer auch schon abzuschließen, bevor sich die Gewerkschaft mit der Mehrzahl der Bahn-Konkurrenten geeinigt hat.
Das jüngste Tarifangebot der Bahn enthält eine Einkommenserhöhung von rund fünf Prozent bei einer Vertragslaufzeit von 29 Monaten. Außerdem ist der Konzern bereit, im Regionalverkehr Lokführer zu übernehmen, die nach dem Betreiberwechsel eines Streckennetz ihren bisherigen Arbeitsplatz verlieren. Weitgehend Einigkeit mit der GDL besteht laut Bahn auch bei den Schutzregeln für Lokführer, die aus Gesundheitsgründen ihren Beruf nicht mehr ausüben können.