Manager für freiwillige Gehaltsobergrenzen für Vorstände
Düsseldorf/Frankfurt (dpa) - Im Streit über Rekordgehälter für Dax-Vorstände haben sich führende deutsche Top-Manager erstmals für freiwillige Obergrenzen ausgesprochen.
In einem Brandbrief an die Vorsitzenden der Aufsichtsräte aller 30 Dax-Konzerne warnen Commerzbank-Chefkontrolleur Klaus-Peter Müller und Ex-Daimler-Finanzvorstand Manfred Gentz vor drohenden Eingriffen der Politik. Sie schlagen vor „in die Vergütungssysteme der Vorstände selbst Obergrenzen“ zu integrieren oder „in anderer Weise sogenannte Caps in die Vorstandsverträge“ aufzunehmen.
„Mit Sorge erfüllt uns, dass schon wieder Stimmen - auch im politischen Lager - laut werden, die Regelungen im Kodex oder gar durch Gesetz verlangen“, heißt es in dem Schreiben, das das „Handelsblatt“ (Montag) abdruckte. Müller ist Vorsitzender der Corporate-Governance-Kommission, die Regeln für gute Unternehmensführung erstellt. Gentz ist Mitglied der Kommission.
Unterstützung erhalten sie für ihren Vorschlag vom Chefkontrolleur bei Bayer, Linde und RWE, Manfred Schneider. „Mir geht es darum zu verhindern, dass wir schon wieder Regeln von der Politik vorgesetzt bekommen. Das sollten wir selbst lösen. Das ginge ganz einfach durch Einziehen von Grenzen“, sagte er dem „Handelsblatt“.
Lufthansa-Aufsichtsratschef Jürgen Weber vertritt seit längerem die Meinung, auch ein Spitzenmann sollte in einem hervorragenden Jahr - inklusiver variabler Vergütungsbestandteile - niemals mehr als das Hundertfache des Durchschnittsgehalts der Mitarbeiter bekommen.
Die millionschweren Vergütungen von Topmanagern sorgen regelmäßig für Aufregung - allein Volkswagen-Chef Martin Winterkorn erhielt für 2011 rund 16,6 Millionen Euro. „Wir sollten uns immer wieder klarmachen, dass auch und gerade marktwirtschaftliche Systeme des Verständnisses und der Akzeptanz der Gesellschaft bedürfen“, werben Müller und Gentz als Privatpersonen für ihre Idee. Eine Obergrenze nannten die beiden nicht.
Sprudelnde Unternehmensgewinne hatten die Gehälter der Dax-Bosse im vergangenen Jahr auf Rekordniveau getrieben. Im Schnitt kassierten die Chefs mit knapp fünf Millionen Euro rund acht Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Das ist der höchste Wert seit dem Jahr 2006, wie die Unternehmensberatung Hostettler, Kramarsch & Partner (hkp) kürzlich errechnet hatte.
Unternehmensberater Michael Kramarsch hält eine Obergrenze bei der Vorstands-Vergütung für sinnvoll und notwendig. Er spricht sich für ein auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittenes Maximum aus. Eine gleiche Obergrenze für alle Unternehmen lehnt er dagegen ab. „Finger weg von absoluten Vergütungsdeckeln“, sagte er der dpa.
Etwa 90 Prozent der Dax-Unternehmen haben nach seinen Angaben bereits Grenzen bei den variablen Systemen eingezogen, darunter Siemens, Daimler, Allianz und Henkel. Millionenvergütungen sind aber damit nicht ausgeschlossen. So erhielt Siemens-Chef Peter Löscher für das vergangene Jahr 8,7 Millionen Euro. Sein Einkommen ist bei 11 Millionen Euro gedeckelt.
Die Gewerkschaft Verdi sprach von einem „richtigen Vorstoß“. Die Dämpfung der Vorstandsvergütungen und der Pensionsansprüche sei bislang von der Arbeitgeberseite verhindert worden, sagte ein Sprecher in Berlin. Es gehe darum, Kriterien für eine angemessene Vergütung zu finden, die einen Bezug zu den Arbeitnehmereinkommen hätten.
Laut einem „Spiegel“-Bericht dürfen sich die Dax-Vorstände auch über üppige Pensionsansprüche freuen. Nach Berechnungen des Nachrichtenmagazins haben die deutschen Top-Unternehmen für ihre amtierenden Vorstände mehr als 637 Millionen Euro für Pensionszahlungen zurückgestellt. Spitzenreiter in der Riege der Vorstandsbosse ist demnach Daimler-Chef Dieter Zetsche. Der Wert seiner bislang zugesagten Pensionsanwartschaften liege bei 29,6 Millionen Euro. Dahinter folgen dem Bericht zufolge VW-Boss Winterkorn mit 19,7 Millionen Euro und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann mit 18,8 Millionen Euro.