Mindestlohn spaltet die Wirtschaft

Großbetriebe bleiben gelassen, Kleinunternehmer sehen ihre Existenz von der Untergrenze bedroht.

Berlin/Düsseldorf. Der Riss trennt große Konzerne und kleine Betriebe, Ballungsräume und ländliche Regionen, West und Ost. Während die einen dem geplanten gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro gelassen entgegensehen und ihn als nicht zu hoch beschreiben, fürchten die anderen um ihre Existenz.

Wenn die Lohnuntergrenze schon kommt, dann doch bitte erst in einigen Jahren — so etwa die Hoffnung von Landwirten oder Taxiunternehmen. Union und SPD hatten sich auf einen gesetzlichen Mindestlohn verständigt. Noch offen ist der Starttermin des verbindlichen unteren Entgelts.

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte Kritiker der Pläne zu einem realistischen Blick auf die heutigen Lebenshaltungskosten auf. „Ich finde es vermessen zu sagen, dass wir mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde Arbeitsplätze verlieren“, sagte er.

Denn selbst 8,50 Euro „wären im Monat rund 1500 Euro brutto — schon damit ist es doch schwer, eine Familie zu ernähren und eine Wohnung samt Nebenkosten zu bezahlen. Mindestlohn ist also wichtig, und 8,50 Euro sind bei weitem nicht zu hoch.“

Von den Berliner Plänen sieht sich der Discount-Marktführer Aldi nicht betroffen. Aldi Süd zahle selbst geringfügig Beschäftigten einen internen Mindestlohn von elf Euro pro Stunde. Aldi Nord verwies darauf, dass eine Verkäuferin im ersten Berufsjahr am Tarifbeispiel NRW 11,08 Euro pro Stunde erhalte.

Die Metro Group verwies darauf, dass es im Großhandel mit Sachsen und Sachsen-Anhalt nur noch zwei Tarifgebiete gebe, in denen der unterste tarifliche Lohn derzeit nicht über 8,50 Euro liege.

Die Bäckerei-Kette Kamps gab an, sie halte sich an den Tarifvertrag für Bäckereien. Dessen unterste Stufe sehe einen Lohn von 8,50 Euro vor. Dies gelte jedoch nur für die 440 Mitarbeiter am Hauptsitz in Schwalmtal bei Mönchengladbach. Den als Franchise-Unternehmen geführten Bäckereien sei zwar ein Stundenlohn von 8,50 Euro vorgegeben, allerdings müssten sich die Partner nicht daran halten.

Auch die Gastronomie in NRW fürchtet die 8,50 Euro nicht. Eine Tarifvereinbarung sichere Beschäftigten von der Spülhilfe bis zur Kellnerin bereits jetzt mindestens 8,50 Euro die Stunde zu, sagte Thorsten Hellwig vom Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). „Wir haben jedoch ein grundsätzliches Problem mit einem flächendeckenden Mindestlohn — insbesondere dann, wenn die Politik ihn festlegt.“ Regionale Begebenheiten erforderten regionale Löhne.

Die Landwirte in NRW hoffen derweil auf mehr Zeit. Wenn Vergütungen für Saisonkräfte oder Erntehelfer ohne Übergangsregelung von derzeit sieben Euro auf 8,50 Euro angehoben würden, könnten dies die Sonderkulturbetriebe wie Obstbauern nicht verkraften, warnte der Rheinische Landwirtschafts-Verband. dpa