Nasdaq nimmt Kampf um Nyse auf

New York/Atlanta/Frankfurt (dpa ) - Im Rennen um den weltweiten Spitzenplatz im Börsengeschäft könnte es für die Deutsche Börse eng werden.

Gut sechs Wochen nach dem spektakulären Übernahmeplan der Frankfurter für die New Yorker Nyse Euronext hat die US-Börse Nasdaq ein milliardenschweres Gegenangebot vorgelegt. Nach Angaben der Nasdaq OMX Group vom Freitag ist deren - gemeinsam mit dem Rohstoffbörsenspezialisten ICE vorgelegte - Offerte 11,3 Milliarden Dollar (derzeit rund 8 Mrd Euro) wert. Je nach Berechnung werde damit die Deutsche Börse um 19 oder sogar 27 Prozent übertrumpft. Die Deutsche Börse erklärte in einer Stellungnahme, sie halte an ihrem geplanten Zusammenschluss mit der Nyse Euronext fest.

Aus Sicht der Anleger haben sich die Karten der Deutschen Börse verschlechtert: Der Kurs sackte am Freitag bis zu 2,9 Prozent ab - und konnte Verluste bis zum Handelsschluss nur halbieren. Am Markt gingen die Beurteilungen zu den Erfolgschancen der beiden Kontrahenten auseinander. „Es ist fraglich, ob die Deutsche Börse ihr Angebot nachbessern wird“, sagte ein Händler. Ein anderer Börsianer geht aber davon aus, dass die Deutsche Börse nachziehen wird. Deren Chef Reto Francioni habe bei einem Scheitern der Fusion „zuviel zu verlieren“.

Die Nyse reagierte lediglich mit einer förmlichen Bestätigung des Angebots und wies darauf hin, dass es sich um ein freiwilliges und unerbetenes Angebot handele. Man werde es sorgfältig prüfen. Den Anteilseignern wird nahegelegt abzuwarten. Weitere Kommentare lehnte die Nyse auf Nachfrage ab.

Sollten die Amerikaner im Wettlauf um Nyse Euronext zum Zuge kommen, würde die Deutsche Börse zum zweiten Mal als Verlierer dastehen. Sie hatte bereits 2008 versucht, mit dem traditionsreichen Börsenhaus an der New Yorker Wall Street zusammenzukommen. Der neuerliche Anlauf vom Februar 2011 war in den USA auf starke Vorbehalte gestoßen. Die nach Börsenwert gewichtigeren Frankfurter wären nämlich bei der transatlantischen Börsenhochzeit Seniorpartner geworden. Sogar die Namensfrage war zu einem heftig diskutierten Thema geworden.

Im Gegensatz würde bei einem Zusammenschluss von Nasdaq und Nyse ein starker US-dominierter Börsenriese entstehen, wie er von vielen amerikanischen Politikern favorisiert wird. Zudem machen Nasdaq OMX und ICE den Nyse-Aktionären ihr Angebot mit der Aussicht schmackhaft, einen weltweit in allen wichtigen Segmenten des Börsengeschäftes führenden Anbieter zu formen. Allerdings könnten kartellrechtliche Bedenken auftauchen.

Während die Deutsche Börse bei ihrem Fusionsplan von 530 Millionen Dollar Spareffekten ausgeht, beziffert Nasdaq die angestrebten Einsparungen durch den Zusammenschluss mit 740 Millionen Dollar. Davon sollen 540 Millionen auf die Nasdaq selbst, weitere 200 Millionen auf die ICE entfallen. Der Handel im berühmten Börsensaal an der Wall Street soll den Nasdaq-Plänen nicht geopfert werden, versprach Nasdaq-Chef Bob Greifeld am Freitag in New York. Die Nasdaq gilt als weltweiter Pionier des computergestützten Handels.

Zur Nyse Euronext gehört neben dem Stammhaus im Big Apple die Euronext, ein Zusammenschluss mehrerer europäischer Börsen, darunter Paris und Amsterdam. Außerdem gehört der Londoner Markt für Termingeschäfte, Liffe, dazu.

Nasdaq hatte 2007 vergeblich versucht, die Londoner Börse LSE zu schlucken und sich stattdessen in der Zwischenzeit mit der schwedischen OMX ein europäisches Standbein zugelegt. ICE mit Sitz in Atlanta hat sich auf den Handel mit Rohstoffen unter anderem in den Sektoren Energie und Agrar spezialisiert. Die Deutsche Börse ihrerseits verfügt neben dem Aktiengeschäft mit der deutsch-schweizerischen Eurex über einen weltweit führenden Handelsplatz für Termingeschäfte.

Die beiden konkurrierenden Angebote sind schwer miteinander zu vergleichen. Nasdaq und ICE bieten nun für jede Nyse-Euronext-Aktie 14,24 Dollar in bar sowie rund 0,4 Nasdaq-OMX- plus gut 0,14 ICE-Anteile. In Summe mache dies 42,50 Dollar je Nyse-Euronext-Aktie aus. Laut Nasdaq OMX übertrifft dieses Angebot die Offerte der Deutschen Börse auf Basis aktueller Aktienkurse um 19 Prozent. Ausgehend vom 8. Februar, dem Tag vor der Bekanntgabe fortgeschrittener Fusionsverhandlungen von Deutscher Börse und Nyse, liege es sogar um 27 Prozent höher.

Die Deutsche Börse und Nyse hatten Mitte Februar angekündigt, dass sie zusammengehen wollen. Die Aktionäre der nach Börsenwert gewichtigeren Frankfurter sollten nach den Plänen 60 Prozent am neuen gemeinsamen Unternehmen halten. Damals wurde der Wert der umworbenen Nyse mit 9,6 Milliarden Dollar taxiert.

Schon damals hatten Gerüchte über mögliche Gegengebote die Runde gemacht. Experten rechneten mit einem möglichen Bieterwettlauf. Alle großen Börsenbetreiber stehen unter großem Fusionsdruck, auch weil weltweit stark wachsende alternative Handelsplattformen sie dazu zwingen, ihre Kräfte zu bündeln.