OECD warnt vor steigenden Lebensmittelpreisen
Paris (dpa) - Zucker-Knappheit, Engpässe bei der Getreideversorgung und weitere Hungersnöte: Die Versorgung der Menschheit mit Nahrungsmitteln wird in naher Zukunft problematisch bleiben. In Deutschland und anderen Industrieländern müssen sich die Verbraucher auf steigende Preise einstellen.
Getreide könnte im Vergleich zu den Jahren 2001 bis 2010 inflationsbereinigt um etwa 20 Prozent teurer werden, Fleisch sogar um 30 Prozent, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Expertenbericht. Verantwortlich dafür sind nicht nur die steigende Nachfrage und höhere Erzeugerkosten.
Auch der Boom von Biokraftstoffen werde im kommenden Jahrzehnt die Durchschnittspreise nach oben treiben, schreiben Forscher der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Agrarorganisation der Vereinten Nationen (FAO) im „Landwirtschaftsausblick 2011-2020“. Vor allem in Entwicklungsländern mit schnell wachsenden Bevölkerungen wie in Afrika drohten neben Unterernährung auch Gefahren für die wirtschaftliche Stabilität.
„Höhere Preise sind zwar gut für Landwirte, für jene Menschen aber, die ohnehin schon einen großen Teil ihres Einkommens für Essen aufwenden müssen, sind sie eine Katastrophe“, kommentierte OECD-Generalsekretär Angel Gurría. Im Kampf gegen diese Entwicklung müssten Regierungen für mehr Transparenz auf den Rohstoffmärkte sorgen und Investitionen fördern, die zu höherer Produktivität in Entwicklungsländern führen können. „Dort leben 98 Prozent der Menschen, die heute noch Hunger leiden“, ergänzte FAO-Generaldirektor Jacques Diouf.
Eine nur noch langsam wachsende Agrar-Produktion wird nach Einschätzung der Experten die Situation erschweren. Die Schätzungen fürs kommende Jahrzehnt liegen bei 1,7 Prozent jährlich - zum Vergleich: von 2001 bis 2010 waren es noch 2,6 Prozent.
Den gleichen Trend gibt es im Fischereisektor, der erstmals in den Ausblick mit aufgenommen wurde. Der Fischfang auf hoher See dürfte bis 2020 sogar sinken, so dass in vier Jahren wohl Zuchtbetriebe die Hauptquelle für Speisefisch bilden werden. Im Jahr 2020 dürfte knapp die Hälfte der gesamten Fischereiproduktion (also auch Fische für Futter und industrielle Nutzung) aus Aquakulturen stammen, schätzen die Autoren der Studie.
Entwicklungshelfer glauben unterdessen nicht an eine schnelle Verbesserung der Situation. Das G20-Agrarministertreffen in der kommenden Woche in Paris drohe eine „echte Bruchlandung“ zu werden, kommentierte die Organisation Oxfam. Laut den ersten Arbeitsdokumenten ignorierten die Minister die Empfehlungen der internationalen Organisationen, die Biosprit-Förderung abzubauen. Zudem werde die Initiative zur Eindämmung der Nahrungsmittelspekulation allein den Finanzministern überlassen. „Grundlegende strukturelle Probleme im Ernährungssystem werden somit nicht aufgegriffen“, kritisierte Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie betonte am Freitag, dass die Verbraucherpreise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke in der Bundesrepublik nach wie vor günstig seien. In den Monaten April/Mai hätten sie durchschnittlich nur um 2,7 Prozent höher gelegen als ein Jahr zuvor. Die weltweiten Agrarrohstoffpreise seien hingegen in den letzten zwölf Monaten um 50 Prozent gestiegen.