Online-Auktion: Air Berlin-Schokoherzen unter dem Hammer
100 Euro für einen Kaffeebecher, 1000 Euro für einen Servierwagen: Das Inventar der Pleite-Airline Air Berlin wird versteigert — eine hochemotionale Angelegenheit.
Essen. Um kurz nach 10 Uhr ist es in der Lagerhalle des Auktionshauses Dechow in Essen schon ziemlich voll. Zum einzigen Besichtigungstermin des Air-Berlin-Inventars, das seit Montag und noch bis zum 1. Februar online versteigert wird, sind viele Interessierte angereist.
Doch anders als von Dechow-Geschäftsführer Jan Bröker erwartet, sind es in erster Linie keine Bieter, die sich in der rund 4000 Quadratmeter großen Halle eingefunden haben. Zum Großteil handelt es sich um Journalisten. Immer wieder hört man Fragen, ob nicht auch Air-Berlin-Stewardessen kommen werden. Also diejenigen, die ihren Job verloren haben, als die hoch verschuldete Airline am 27. Oktober 2017 ihren Betrieb eingestellt hat. Man hofft auf Menschen, die von einem Kapitel deutscher Fluggeschichte erzählen können, das mit dieser zweiwöchigen Online-Versteigerung ein Ende findet.
Doch die Traurigkeit der Firmenpleite wird auch so spürbar. Sie liegt auf den mit Plastikfolien verpackten Sitzreihen, die unter den Hammer kommen sollen. Sie zeigt sich in den noch unbenutzten Jutebeuteln, auf denen „Ich bin ein Air Berliner“ steht. Und sie wird greifbar, wenn man hört, dass 107 nagelneue Tablets eigentlich darauf gewartet hätten, von den Piloten eingesetzt zu werden.
In Kartons stapelt sich knapp eine Tonne roter Schokoladenherzen, die schon fast zum Symbol der Air-Berlin-Insolvenz geworden sind. Jan Bröker vom Auktionshaus Dechow weiß, dass mit der Air-Berlin-Auktion eine ganz besondere Versteigerung in seine Hände gelegt worden ist. „Hier ist eine unglaubliche Emotionalität zu spüren. Das hatten wir zuletzt 2006, als wir Sachen der Fußball-WM hierzulande versteigert haben“, sagt der Geschäftsführer, der sich besonders über den Auktionsstart gefreut hat: „Schon Sekunden nach dem Start gab es Gebote. Über 50 000 Menschen haben sich bis jetzt für die Versteigerung angemeldet.“
Ein Blick auf die Preise zeigt, dass die Versteigerung der 849 Lose nicht viel mit Rationalität zu tun hat: 100 Euro für einen roten Kaffeebecher mit Unternehmenslogo, über 1000 Euro für einen der Wagen, mit denen die Stewardessen die Fluggäste versorgt haben. Für 100 Schokoherzen werden 332 Euro geboten. Das teuerste Startgebot liegt bei 6000 Euro für ein Modell einer Boeing 737 im Maßstab 1:5. Bisher gibt es noch keine Gebote.
Klaus Träger kann sich aber gut vorstellen, das Modell zu kaufen. Mit seinem Tablet macht er konzentriert Fotos des Flugzeugs. Der 75-Jährige sammelt leidenschaftlich sämtliche Miniaturen. Aber auch für Autos hat er ein Faible. Elf Stück stehen bereits in seiner Garage. Dort würde er auch die Boeing 737 aufhängen. „Ich kann mir gut vorstellen, 10 000 Euro zu bieten. Wenn man ein Modellflugzeug selbst baut, zahlt man auch locker so viel“, sagt Träger, der aus Wattenscheid gekommen ist. Was ihn mit Air Berlin verbindet? „Wahrscheinlich ist jeder schon mal damit geflogen“, antwortet der Sammler knapp.
Auch Jürgen Lange schaut sich das riesige Modell fasziniert an. „Leider fehlt mir aber der Platz. Ich habe ein Auge auf die Schokoherzen geworfen“, sagt der Kölner, der ein wenig verwundert ist, dass doch so wenige Interessenten da sind. „Aber wahrscheinlich liegt es am Wetter“, meint er. Eine Frau aus Essen, die mit ihrem Mann zur Besichtigung gekommen ist, begutachtet die Flugsitze. Sie möchte ihren Namen lieber nicht verraten. Für das Aus der Fluglinie hat sie nur ein Wort übrig: „Traurig.“ Ein Wort, das an diesem Tag ziemlich oft fällt.