Reiselust der Deutschen nicht zu bremsen
Berlin (dpa) - Noch sind die Deutschen in ihrer Reiselust nicht zu bremsen. Nur elf Prozent wollen einer Umfrage zufolge in diesem Jahr im Urlaub ganz sicher nicht verreisen, obwohl die Unsicherheiten über die wirtschaftliche Lage zunehmen.
Die Marktforscher der Nürnberger GfK sehen die Konsumlaune bislang ungetrübt und damit auch die Freude am Verreisen. Alle teilen diesen Optimismus allerdings nicht: Der internationale Branchenverband WTTC rechnet mit Stagnation und Arbeitsplatzverlust auch in Deutschland.
„Die deutsche Tourismusbranche muss sich auf ein schwieriges Jahr einstellen“, sagte WTTC-Präsident David Scowsill am Mittwoch auf der Reisemesse ITB in Berlin. Grund seien die Euro-Schuldenkrise und Rezessionsängste.
Die GfK in Nürnberg rechnet für die deutsche Branche im Tourismusjahr 2011/12 (November bis Oktober) bei den Reisebuchungen indes mit einem Umsatzsprung von elf Prozent. In anderen europäischen Ländern falle die Nachfrage dagegen schwächer aus: In Großbritannien lägen die Buchungssätze fast um fünf Prozent unter dem Vorjahresniveau. Hohe Arbeitslosenquote, die Angst vor dem Jobverlust sowie eine hohe Inflation drückten hier auf die Konsumlaune.
Am Urlaub sparen die Menschen nach der GfK-Studie generell ungern. Lieber verzichteten sie auf Lebensmittel und Getränke oder Bekleidung und Schuhe. In einer Wirtschaftskrise ändere sich aber das allgemeine Urlaubsverhalten: Der Haupturlaub bleibe mit einer etwas kürzeren Dauer erhalten, auf zusätzliche Kurzreisen werde dagegen eher verzichtet. Gefragt seien in Krisenzeiten vor allem Inlandsreisen und All-Inclusive-Angebote.
Die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) sieht viele Anzeichen dafür, dass 2012 erneut ein gutes Reisejahr werde, vielleicht sogar noch besser als das Rekordjahr 2011.
Rund 30 Prozent der Bundesbürger erwarte zwar eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage - im vorigen Jahr waren es nur 19 Prozent. Aber Reiseentscheidungen würden vor allem mit Blick auf die persönliche Situation getroffen. Und die werde überwiegend als stabil empfunden.
Eines der populärsten Urlaubsziele der Deutschen bleibt das eigene Land - mit 330 Millionen Übernachtungen. „Und wir versuchen, in diesem Jahr die Schallmauer von 400 Millionen Übernachtungen zu knacken“, sagte der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung Ernst Burgbacher. Die Zahl von 63,8 Millionen Ausländer-Übernachtungen 2011 sei ebenfalls Rekord, sagte er. International stehe Deutschland damit auf Platz sechs.
Die Tourismus-Beschäftigten in Deutschland haben aus Sicht der Gewerkschaft Verdi nichts vom Boom ihrer Branche. Seit zwei Jahren seien die Tarifgehälter nicht erhöht worden. Mitarbeiter bei Veranstaltern, Reisebüros und im Geschäftsreisesektor hätten nicht einmal gültige Gehaltstarifverträge, kritisierte Verdi. „Bei Höhenflügen der Tourismuswirtschaft bleiben die Beschäftigten leider auf der Strecke.“ In der Branche sind nach deren Angaben 2,8 Millionen Mitarbeiter beschäftigt.
Der Deutsche Reise-Verband stellte auf der ITB ein neues Krisenwarnsystem vor, das die Sicherheit von Urlaubern verbessern soll. Das „Global Monitoring“ schlägt beim Veranstalter automatisch Alarm, sobald zum Beispiel Gefahr durch eine Naturkatastrophe oder politische Unruhen droht. Dadurch könnten Veranstalter „so schnell wie nie zuvor auf sich anbahnende kritische Situationen reagieren“, sagte DRV-Hauptgeschäftsführer Hans-Gustav Koch.
Der Veranstalter soll dabei auf einen Blick sehen können, wo sich gerade wie viele seiner Gäste aufhalten. „Das ermöglicht ein noch zielgenaueres Reagieren im Ernstfall.“ Urlauber ließen sich außerdem umgehend per SMS und E-Mail vor Gefahren warnen.
Der Verband Internet Reisevertrieb (VIR) fordert einen TÜV für Reise-Webseiten, weil immer mehr Urlauber online buchen. „Gerade unter den Newcomern der Branche stellen wir fest, dass einige Anbieter nur bedingt verbraucherfreundlich handeln“, erklärte VIR-Vorstand Michael Buller. Der Verband wolle sich daher verstärkt für klare Richtlinien bei Qualität und Service einsetzen. Nach einer FUR-Analyse haben in den vergangenen zwölf Monaten 23 Prozent aller Urlauber ihre Reise im Internet gebucht. Im Vorjahr waren es danach erst 16 Prozent.