Spanier gehen auf die Barrikaden

Die Bürger demonstrieren gegen die drastischen Sparbeschlüsse der Regierung Rajoy.

Madrid. „Hände hoch, das ist ein Überfall“, rufen die Demonstranten, welche sich täglich vor dem Portal des Parlamentes in der spanischen Hauptstadt Madrid einfinden. „Das ist keine Krise, das ist ein Betrug.“

Die Abgeordneten, die ins Parlament oder wieder heraus wollen, müssen Spießrutenlaufen. Denn nachdem die konservative Regierung die Nation mit dem größten Sparpaket aller Zeiten schockierte, welches den Bürgern noch härteren Verzicht auferlegt, brodelt es im Land. „Ich weiß, dass diese Maßnahmen nicht angenehm sind, aber sie sind unverzichtbar“, sagte der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy.

Sein Kabinett beschloss das härteste Notprogramm der spanischen Geschichte. Um 65 Milliarden Euro soll der hoch verschuldete Staat bis zum Jahr 2014 entlastet werden. Mit Axthieben bei den Ausgaben und höheren Steuern. Auch König Juan Carlos nahm an der Kabinettssitzung teil und forderte „Solidarität, Mäßigung und Opferbereitschaft“, um aus der Krise zu kommen und die Staatspleite abzuwenden. Doch auf der Straße gehen die Bürger auf die Barrikaden.

Als die Regierung noch über den neuen Katalog der Grausamkeiten beriet, legten bereits 1000 Staatsdiener spontan die Arbeit nieder. Sie blockierten Verkehrsadern in Madrid und anderen Städten. Die 2,6 Millionen Staatsangestellten im Land müssen besonders bluten: Ihr Weihnachtsgeld, ein komplettes 13. Gehalt, fällt weg. Für sie ist es ein schwacher Trost, dass Regierungsmitglieder und Abgeordnete ebenfalls weniger auf dem Konto haben werden.

Auch die weiteren Sparbeschlüsse sorgen für Unmut: Die Mehrwertsteuer klettert von 18 auf 21 Prozent, was das tägliche Leben teurer macht. Beim Arbeitslosengeld, bei den Renten, der Pflege und der Beschäftigungsförderung wird gestrichen. Zuvor war die Schere bereits im lückenhaften Bildungs- und Gesundheitssektor angesetzt worden. Genauso wie Jugendförderung, Sozialleistungen und Stipendien beschnitten wurden.

Wasser-, Strom- und Gaspreise stiegen heftig, genauso wie Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehr. Die Löhne sinken vielerorts. Spaniens Bergleute liefern sich seit Wochen regelmäßig Straßenschlachten mit der Polizei, weil die millionenschweren Subventionen für ihre nicht mehr rentablen Steinkohle-Bergwerke zusammengestrichen wurden.

„Wir haben keine Zukunft mehr“, brüllen die rund 4000 spanischen Minenarbeiter, die mit harten Bandagen um das Überleben ihrer zum Sterben verurteilten Industrie kämpfen. „Wenn die Regierung nicht einlenkt, kommen wir mit Dynamit wieder“, drohen sie.

Der harte Widerstand der Bergleute lässt eine Ahnung aufkommen, was dem Krisenland blühen könnte, wenn das soziale Pulverfass der wachsenden Armut und Massenarbeitslosigkeit explodiert. Die Arbeitslosenquote liegt bei 25 Prozent, die Armutsquote ebenfalls. Die Geduld vieler Spanier, die den Gürtel immer enger schnallen müssen, scheint nach dem Spardiktat erschöpft zu sein.