Sparziel verfehlt: Athens Haushaltsdefizit wächst

Athen/Luxemburg (dpa) - Weitere Hiobsbotschaft aus Athen: Schuldensünder Griechenland wird das für dieses Jahr gesteckte Sparziel verfehlen.

Das Haushaltsdefizit könne nicht wie mit der EU, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) verabredet auf 7,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gedrückt werden, gab das griechische Finanzministerium am Sonntagabend bekannt. Stattdessen geht die Regierung jetzt von 8,5 Prozent aus und nennt den verheerenden Konjunktureinbruch als Grund.

Die griechische Wirtschaft werde im laufenden Jahr um 5,5 Prozent schrumpfen, heißt es in der Erklärung des Ministeriums. Das griechische Eingeständnis sei keine Überraschung, kommentierte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Joachim Poß. „Eine stärkere Haushaltskonsolidierung ist bei einem Minus im Wirtschaftswachstum von mehr als fünf Prozent nicht zu schaffen.“

In Athen verabschiedete der Ministerrat am Sonntagabend den Haushalt für 2012, der erstmals ohne Neuverschuldung auskommen soll. Das Budget sieht Einsparungen von insgesamt 6,6 Milliarden Euro vor. Mit neuen Steuern will die griechische Regierung 2012 zusätzliche Einnahmen in Höhe von 7,1 Milliarden Euro erzielen. Die Regierung plant unter anderem, Immobilienbesitzer stärker zur Kasse zu bitten.

Um die Ausgaben zu drücken, will Athen außerdem erstmals seit mehr als 100 Jahren Staatsbedienstete entlassen. Konkret geht es um bis zu 30 000 Stellen. Wie griechische Medien übereinstimmend berichteten, sollen bis Jahresende etwa 20 000 Staatsbedienstete, die ein bis zwei Jahre vor der Pensionierung stehen, in Frührente gehen. Die größten Gewerkschaften kündigten vehementen Widerstand an, man werde mit Streiks und Demonstrationen reagieren.

Entscheidende Fortschritte bei den Sparbemühungen sind die Voraussetzung dafür, dass die internationalen Finanzkontrolleure der „Troika“ von EU, EZB und IWF die nächste Hilfstranche von acht Milliarden Euro für Athen freigeben. Nur damit kann die drohende Staatspleite verhindert werden.

Die meisten Griechen halten neuesten Umfragen zufolge die Zahlungsunfähigkeit ihres Landes für unabwendbar. So erwarten 67,3 Prozent der Befragten die Pleite, wie eine repräsentative Befragung des Meinungsforschungsinstituts Kapa Research in der Athener Sonntagszeitung „To Vima“ ergab. 70 Prozent wollen demnach aber in diesem Fall nicht, dass das Land die Eurozone verlässt.

Die wieder verstärkten Sorgen um Griechenland belasteten den deutschen Aktienmarkt im Feiertagshandel schwer. Der Leitindex Dax sank bis zum späten Nachmittag um rund 2,6 Prozent auf 5360 Punkte. Zu Handelsbeginn war er um bis zu 3,8 Prozent abgesackt. Der MDax büßte 2,7 Prozent ein, der TecDax gut 3 Prozent. Der Euro sank auf den tiefsten Stand seit Mitte Januar. Im Tief kostete die Gemeinschaftswährung am Montagmorgen 1,3315 US-Dollar. Den Referenzkurs setzte die Europäische Zentralbank (EZB) auf 1,3327 (1,3503) Dollar fest.

Zuvor hatten bereits in Asien die roten Kurszeichen dominiert: Besonders deutlich fielen die Verluste an der Börse in Hong Kong aus. Dort sackte der Hang-Seng um über 4 Prozent ab und fiel zum ersten Mal seit Mai 2009 wieder unter die Marke von 17 000 Punkten. In Tokio schloss der Nikkei-Index für 225 führende Werte mit einem Minus von 1,78 Prozent bei 8545,48 Zählern. „Die Anleger stehen weiter im Bann der wichtigen Entwicklungen in Griechenland“, sagte Händlerin Anita Paluch von Gekko Global Marktes.

Ganz im Zeichen der Euro-Schuldenkrise steht auch das Treffen der Finanzminister der 17 Euro-Länder am heutigen Montag in Luxemburg. Über die Auszahlung der acht Milliarden Euro Kredittranche wird die Ministerrunde jedoch noch keine Entscheidung treffen, dafür ist ein Sondertreffen am 13. Oktober geplant. Umstritten ist aber auch noch immer die Forderung Finnlands nach Extra-Garantien für Kredite an Griechenland. Athen kann die Löhne der Staatsbediensteten und Rentner nur noch für diesen Oktober zahlen. Danach wäre das Land pleite.

Zentrales Thema des Luxemburger Treffens wird die Ausweitung des Krisenfonds für wackelnde Euro-Staaten EFSF sein. Die Kassenhüter dürften sich dabei über Spekulationen zu einer effektiveren Verwendung der EFSF-Mittel durch die Mobilisierung von Fremdkapital (Hebelwirkung) austauschen. Der Krisenfonds EFSF kann derzeit 440 Milliarden Euro Notkredite vergeben. An dem Treffen nimmt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) teil.

Beunruhigende Töne kommen aus der Slowakei, die bei den Euro-Rettungsbemühungen der größte Wackelkandidat ist: Hintergrund ist, dass die 17 Euro-Länder geschlossen für die Ausweitung des Rettungsschirms stimmen müssen und es in der Koalition in Bratislava massiven Widerstand der neoliberale Partei SaS von Parlamentspräsident Richard Sulik gibt. Sulik hatte angekündigt, seine Partei werde geschlossen gegen eine Aufstockung des Euro-Rettungsschirms EFSF votieren. Auf der anderen Seite signalisierte der sozialdemokratische Oppositionsführer und Ex-Premier Robert Fico am Sonntagabend erstmals seine Bereitschaft, eine Mehrheit für den Euro-Schutzschirm im Parlament zu ermöglichen.

Deutschland hatte in der vergangenen Woche grünes Licht gegeben. Neben der Slowakei müssen noch Portugal, die Niederlande und Malta zustimmen.