Streikende Lokführer legen Bahnen erneut lahm
Frankfurt/Main (dpa) - Die Lokführer habe mit der zweiten Warnstreikwelle innerhalb einer Woche erneut weite Teile des deutschen Schienenverkehrs lahmgelegt. Zehntausende Fahrgäste standen am Freitagmorgen in der Kälte und warteten vergeblich auf ihre Züge.
Unter anderem standen in Stuttgart, Nürnberg, dem Ruhrgebiet und Köln die S-Bahnen still. Doch ein großer Teil des Verkehrs fand auch statt. Die Konkurrenten der Deutschen Bahn wurden dabei nach eigener Einschätzung von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) weniger stark bestreikt als das Staatsunternehmen.
Im Gegensatz zur ersten Streikwelle bei der Bahn am vergangenen Dienstag waren wegen der späteren Anfangszeit weniger Pendler und Schüler betroffen, dafür aber die Fernreisenden. Pünktlich um 08.30 Uhr rollten vielerorts die Züge für die drei Warnstreikstunden auf die Abstellgleise. Besonders hart wurde nach GDL-Angaben die Region Stuttgart getroffen, wo 90 Prozent aller Züge stehenblieben. Deutschlandweit seien 80 Prozent der Verbindungen betroffen gewesen.
Dem widersprach DB-Vorstandsmitglied Ulrich Homburg zumindest teilweise: Lediglich ein Viertel der Fernzüge sei ausgefallen, im Regional- und Nahverkehr lasse sich das nicht genau beziffern. Die Zugausfälle vom Morgen zeitigten Folgen bis in den Abend: „Die Wochenendpendler haben erheblich unter der Situation zu leiden“, sagte Homburg. Die Deutsche Bahn verurteilte den erneuten Warnstreik als „überflüssige Machtdemonstration“. „Statt unverzüglich weiterzuverhandeln, setzt die GDL ihre Irrfahrt fort“, kritisierte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber.
Die sechs großen Bahn-Konkurrenten (G6) fühlten sich laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa weitaus weniger beeinträchtigt als der DB-Konzern. Demnach gab es bei Abellio (Essen) gar keine Beeinträchtigungen. „Wir werden nicht bestreikt, unsere Lokführer wollen einfach nicht“, sagte Sprecher Peter Werz. Die Stimmung im Unternehmen sei gut, da nahezu auf dem Niveau des DB-Verdienstes gezahlt werde. Auch die Hessische Landesbahn oder die Ostdeutsche Eisenbahn meldeten nur vereinzelte Ausfälle. Bei der Veolia-Tochter Nord-Ostsee-Bahn (NOB) in Schleswig-Holstein ging hingegen am Vormittag nichts mehr.
Die G6 sprach von einer Aktion auf dem Rücken der Fahrgäste: Das DB-Verdienstniveau eins zu eins auf die gesamte Branche zu übertragen sei unfair. „Unterschiede in den Tätigkeiten von Lokomotivführern im Fernverkehr einerseits und im Nahverkehr andererseits müssen sich auch im Entgelt widerspiegeln können.“
Die GDL will mit dem Arbeitskampf flächendeckende Tarifstandards auf dem Niveau der DB durchsetzen. Davon würden vor allem die Lokführer bei der DB-Konkurrenz profitieren, die bislang teils deutlich weniger verdienen. Man wolle das Lohndumping von bis zu minus 30 Prozent ein für alle Mal beenden, erklärte GDL-Chef Claus Weselsky am Freitag erneut.
Mit dem zweiten Warnstreik innerhalb weniger Tage habe man den Arbeitgebern die gelbe Karte gezeigt, meinte Weselsky. „Jeder halbwegs Sportbegeisterte weiß, dass maximal zwei gelbe Karten verteilt werden, bevor die rote kommt.“ Er kündigte weitere Streikaktionen noch vor dem Ende der Urabstimmung an, das für den 7. März angekündigt ist.
Der Fahrgastverband Pro Bahn mahnte ernsthafte Verhandlungen der Tarifpartner an. Möglicherweise könnte ein Mediator eingeschaltet werden, sagte der Vorsitzende Karl-Peter Naumann am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Die GDL solle gemeinsam mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) verhandeln. Im Gegensatz zu Streiks in anderen Branchen seien bei der Bahn die Kunden die Hauptleidtragenden von Arbeitsniederlegungen.