„Sylt“ als Wortschmuck für Wodka und Salatsoße

Oft haben Produkte mit der Insel so gut wie nichts zu tun.

Westerland. Sylt, die wohl bekannteste Insel Deutschlands, sorgt neuerdings für erstaunliche Karrieren. Waren früher allenfalls die einstige Bretterbude Sansibar — heute Kult-Restaurant samt Handel — oder das Fischimperium Gosch über die Grenzen des Eilands hinaus bekannt, schmückt sich inzwischen eine ganze Produktpalette mit dem Namen der Insel. Sylt als Teil der Bezeichnung findet sich von Wodka über Dosenbrot bis hin zur Salatsoße. Oft haben sie mit der Insel eher wenig zu tun. Mal stammt das Rezept von dort, mal wird die Spirituose mit Kieseln vom Sylter Strand filtriert — und nicht selten soll der klingende Name einfach Kunden locken.

„Dieser Marketing-Trick ist ja nicht neu“, sagt Gudrun Köster von der Kieler Verbraucherzentrale. „Die verkaufen Emotionen und Bilder, die im Kopf entstehen.“ Rechtlich gebe es meist keine Handhabe gegen Ortsbezeichnungen in Produktnamen. Regionale Besonderheiten sind eine Ausnahme. Doch laut Inselmarketing arbeiten nur rund ein Dutzend Lebensmittelproduzenten auf dem Eiland.

Sylter Salatsoße und Wodka riefen die Verbraucherschützer bereits auf den Plan. Auch Foodwatch sieht einen Etikettenschwindel. „Mit regionaler Herkunft darf nur dann geworben werden, wenn dies durch die tatsächliche Herkunft der Zutaten gedeckt ist“, fordert Sprecher Martin Rücker. Der Ursprung aller Hauptzutaten müsse dem Kunden klar werden.

Die Verantwortlichen vom Inselmarketing sagen: „Besser ist es, das Produkt ,Sylter Art’ zu nennen, um Missverständnisse direkt auszuschließen.“ Ärgerlich seien Fälle einer „offensichtlichen Täuschung, wo alles daran gesetzt wird, dass das Produkt so gestaltet und vermarktet wird, als ob es auf Sylt hergestellt wird oder die Rohstoffe von der Insel kommen“. Die Salatsoße sei ein Beispiel dafür.

Die Firma hinter der Soße argumentiert, der Name sei nicht irreführend. „Er weist emotional und fantasievoll auf den Produktcharakter, die nordische Eigenart und die Geschmacksrichtung des Produktes und auf den Sylter Lebensstil hin.“

Für Wissenschaftler hängt der Trend zur Regionalisierung an der Sehnsucht nach Verwurzelung in einer globalisierten Welt. „Es ist ein weit verbreitetes Phänomen, Produkten eine ,Heimat’ zu geben“, sagt Monika Kritzmöller, Soziologin von der Universität St. Gallen. Meist hätten Produkte gar keine Heimat mehr, vor allem in Zeiten globaler Produktion.