Zinstief kostet deutsche Sparer Milliarden
Frankfurt/Berlin (dpa) - Die extrem niedrigen Zinsen in Europa kosten deutsche Sparer nach einer Studie Milliarden. Nach Berechnungen der Postbank verlieren die Sparvermögen bei Banken in Deutschland allein in diesem Jahr real rund 14 Milliarden Euro an Wert, wie die „Bild“-Zeitung am Samstag berichtete.
Auch in den Folgejahren werde die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) immer größere Teile der Ersparnisse aufzehren. Im nächsten Jahr liegt der Vermögensverlust demnach unterm Strich sogar bei 21 Milliarden Euro. „Durch den Anstieg der Inflation bei anhaltend niedrigen Zinsen wird sich die reale Vermögensentwertung beschleunigen“, sagte Postbank-Chefstratege Marco Bargel der Zeitung.
Bei den Berechnungen lag laut Zeitung ein Volumen von 1,75 Billionen Euro zugrunde, welches Sparer nach Angaben der Postbank bei Banken liegen haben, etwa in Form von Spareinlagen. Bei der Inflation wurde eine durchschnittliche Inflationsrate in diesem Jahr von 1,6 Prozent, im nächsten Jahr von 2,0 Prozent angenommen.
Die Inflation in Deutschland lag im Juli nach ersten Schätzungen des Statistischen Bundesamts bei 1,9 Prozent. Tagesgeld wirft nach Angaben der FMH Finanzberatung derzeit maximal 1,5 Prozent ab, Sparbücher liegen weit drunter. Auch bei Betriebsrenten und Lebensversicherungen dürften kräftige Abschläge auf die Sparer zukommen. Um die Lücke auszugleichen, „werden viele Arbeitnehmer noch während der Rentenphase berufstätig sein“, zitierte die „Bild“-Zeitung DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater.
Die Notenbank hatte den Leitzins im Mai im Kampf gegen die Rezession im Euroraum auf das Rekordtief von 0,5 Prozent gesenkt. Erst am Donnerstag hatte EZB-Präsident Mario Draghi bekräftigt, dass die Leitzinsen im Euroraum „für längere Zeit auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau“ gehalten würden.
Angesichts des extrem billigen Geldes rät Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, Anlagen breit zu streuen und höhere Risiken einzugehen. „Nur wenn man höheres Risiko eingeht, kann man mehr erwarten“, sagte Nauhauser am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Statt alles auf eine Karte zu setzen, sollten Sparer neben dem Sparbuch auch Tagesgeld, Festgeld, Immobilien, Immobilienfonds und weltweit streuende Aktien-Fonds ins Portfolio nehmen.
Auch Kostenminimierung sei möglich, indem teure Produkte mit hohen Nebenkosten gemieden oder gekündigt werden: „Teure Lebensrentenversicherungen aber auch teure Investmentfonds und undurchsichtige Zertifikate.“ Die niedrigen EZB-Leitzinsen verursachten auch Lebensversicherern und betrieblichen Altersvorsorgeeinrichtungen Probleme.
Aus Sicht Nauhausers ziehen die Verbraucher noch nicht die Konsequenz, das Geld auszugeben statt es zu Minizinsen anzulegen. Daher bleibe unterm Strich nichts anderes übrig, als die niedrigen Zinsen zu akzeptieren oder mehr Risiken zu tragen.
Allerdings profitieren die Steuerzahler indirekt vom Tiefstzins. Nach früheren Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft Kiel spart die Bundesregierung wegen der niedrigen Zinsen für Staatsanleihen bis 2014 mehr als 100 Milliarden Euro an Zinszahlungen. Hintergrund für die rechnerische Einsparung ist neben dem Leitzins auch die hohe Nachfrage nach Bundespapieren, die in der Euro-Schuldenkrise als „sicherer Hafen“ bei Investoren gelten.