ThyssenKrupp mit Milliardenverlust
Essen (dpa) - Warten auf den Befreiungsschlag: Während der kriselnde Industriekonzern ThyssenKrupp weiter tief in den roten Zahlen steckt, verläuft der dringend erwartete Verkauf der Stahlwerke in Übersee weiter schleppend.
In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres 2012/2013 fuhr der Konzern einen Verlust von 1,205 Milliarden Euro ein, wie ThyssenKrupp am Dienstag in Essen nach Börsenschluss mitteilte. Ursache dafür waren vor allem Abschreibungen auf Fehlinvestitionen in die Stahlwerksprojekte in Übersee.
Die Eigenkapitalquote sackte um weitere 1,5 Prozentpunkte auf magere 8 Prozent ab, wie das Unternehmen weiter mitteilte. Das ist der mit Abstand schlechteste Wert alle Industrieunternehmen im Dax. Zum Stichtag 30.6.2013 lagen die Netto-Finanzschulden bei rund 5,3 Milliarden Euro. Durch das weiter verschlechterte Verhältnis von Schulden zum Eigenkapital (Gearing) seien Verhandlungen mit den Banken über eine Ausnahmeregelung notwendig geworden, da die Banken sonst einige milliardenschwere Verträge kündigen könnten, hieß es.
Konkrete Schritte für eine mögliche Kapitalerhöhung kündigte das Unternehmen am Dienstag nicht an. Konzernchef Heinrich Hiesinger hatte zuletzt einen solchen Schritt nicht ausgeschlossen. Problematisch wäre dabei jedoch, dass sich der Anteil der mächtigen Krupp-Stiftung, die mit 25,3 Prozent an dem Konzern beteiligt und damit größter Einzelaktionär ist, möglicherweise verringern könnte. Die Stiftung gilt als Bollwerk gegen mögliche Übernahmeversuche.
Ende Juli war der jahrzehntelange Chef der Krupp-Stiftung, Berthold Beitz, im Alter von 99 Jahren gestorben. Nach einem Nachfolger an der Spitze der einflssreichen Stiftung wird noch gesucht.
Bei den sich seit Mai vergangenen Jahres hinziehenden Verhandlungen über einen Verkauf der Stahlwerke in Brasilien und den USA konnte ThyssenKrupp noch immer keinen Erfolg melden. Die Gespräche mit einem führenden Bieter seien „weit fortgeschritten“, hieß es lediglich. Ein zeitnaher Abschluss werde angestrebt.
Bereits im zurückliegenden Geschäftsjahr 2011/2012 hatten vor allem die Fehlinvestitionen in die Übersee-Stahlwerke den Konzern mit einem Minus von fünf Milliarden Euro tief in die Verlustzone gestürzt. Diese Stahlwerksprojekte hatten sich als Milliardengrab erwiesen.
Die Verhandlungen über den Verkauf der Werke waren bislang äußerst schleppend verlaufen. „Der Verkaufsprozess zu Steel Americas dauert länger als ursprünglich erwartet“, räumte ThyssenKrupp-Konzernchef Hiesinger laut einer Mitteilung ein.
Nach technischen Problemen bei einem der Hochöfen in Brasilien im Mai dieses Jahres erwarteten die Bieter nun einen vollständigen Hochlauf der Anlagen. Zudem seien die Verhandlungen hochkomplex. Dabei sei der Konzern nicht nur mit einem führenden Bieter, sondern auch mit weiteren Interessenten im Gespräch.
Die Gespräche sind auch deshalb schwierig, weil gerade in Brasilien zahlreiche unterschiedliche Parteien mitreden. Dazu zählen neben dem Kaufinteressenten CSN auch die brasilianische Förderbank BNDES als wichtiger Kreditgeber des Werkes nahe Rio de Janeiro und das Bergbauunternehmen Vale, das 27 Prozent an der Anlage hält.
Auch in seinem europäischen Stahlgeschäft klagt der Konzern über eine „unzureichende Ergebnissituation“ und sinkende Auftragseingänge. Daher werde weiter intensiv an der Umsetzung eines Sparprogramms gearbeitet mit dem rund 2000 der derzeit noch 27 600 Stellen gestrichen werden sollen, hieß es. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) im europäischen Stahlgeschäft brach in den ersten neun Monaten vor dem Hintergrund der schwierigen Stahlkonjunktur deutlich von 184 Millionen Euro im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres auf 101 Millionen Euro ein.
Der Konzern kämpft daneben noch mit den Folgen mehrerer Kartellfälle. Ein im diesem Jahr gestartetes befristetes Amnestieprogramm habe zu mehr als 20 Hinweisen geführt. Es seien dabei jedoch keine schwerwiegenden Verstöße festgestellt worden. Dabei habe es ich im Wesentlichen um individuelles Fehlverhalten gehandelt. Hinweise zu den laufenden Untersuchungen des Bundeskartellamts zu möglichen Preisabsprachen bei Autoblechen habe es nicht gegeben.