ThyssenKrupp: Spekulation um Cromme-Nachfolge
Düsseldorf (dpa) - Nach der überraschenden Rücktrittsankündigung von ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme ist die Spekulation über seine Nachfolge in vollem Gange.
In Branchenkreisen und Medien fiel am Samstag der Name Ulrich Lehner, derzeit Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutschen Telekom und Interimspräsident des schweizerischen Pharmariesen Novartis. Das oberste Aufsichtsgremium bei ThyssenKrupp solle eine neue Qualität erhalten, Lehner sei der wahrscheinliche Nachfolger von Cromme, berichtete etwa die Wirtschaftszeitung „Euro am Sonntag“.
Dagegen meldete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, Favorit sei der frühere Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel. Doch auch Lehner könne sich gute Chancen ausrechnen, schreibt das Magazin weiter. Da beide dem Aufsichtsrat angehörten, könnten sie sofort den Posten übernehmen, hieß es laut „Spiegel“ aus Aufsichtsratskreisen.
Ein Sprecher von ThyssenKrupp wollte zu beiden Personalien am Abend auf dpa-Anfrage keine Stellung nehmen.
Cromme hatte am Freitag überraschend angekündigt, sich zum 31. März vollständig aus dem Unternehmen zurückzuziehen. Hintergrund sind das Milliarden-Debakel der Stahlwerke in Amerika, Kartellverstöße und Korruptionsfälle. Im vergangenen Geschäftsjahr hatte das Unternehmen, das seit zwei Jahren von Heinrich Hiesinger geführt wird, einen Verlust von 5 Milliarden Euro verbucht. Für die Fehlentwicklungen wurde Cromme, der auch Aufsichtsratschef von Siemens ist, mitverantwortlich gemacht. Auch die Krupp-Stiftung, mit rund 25 Prozent das eigentliche Machtzentrum des Konzern, wird der Manager verlassen.
Das Nachrichtenmagazin „Focus“ berichtete, dass anders als offiziell dargestellt, Cromme zum Rücktritt gedrängt worden sei. Der Vorsitzende der Krupp-Stiftung, der 99-jährige Berthold Beitz, soll ihm am Freitag in einem kurzen Gespräch mitgeteilt haben, dass das notwendige Vertrauen nicht mehr vorhanden sei, heißt es in dem Bericht. Dies sei auch die Meinung des Kuratoriums, zu deren Mitgliedern unter anderem NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) gehört. Die Landesregierung wollte sich zur Personalie Cromme nicht äußern.
Der „Spiegel“ schreibt unter Berufung auf das Umfeld von Beitz, dieser habe sich mit Cromme bereits vor „geraumer Zeit“ darauf verständigt, dass er als Aufsichtsratchef die Verantwortung für den Zustand des Stahlkonzerns übernehmen müsse. Der Zeitpunkt für den Rückzug sei jedoch offengelassen worden. Cromme habe die Hauptversammlung im Januar abwarten wollen.