Wohnungen Warum das Baukindergeld ein Irrweg ist
Die Bundesregierung will Familien mit Kindern fördern, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Studien zeigen, dass das nicht funktionieren kann.
Düsseldorf. Die neue Bundesregierung will etwas gegen den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in vielen Städten tun. So steht es im Koalitionsvertrag. Wer nach konkreten Schritten zur Umsetzung des ehrgeizigen Zieles sucht, stößt vor allem auf das Baukindergeld. Das soll bald beschlossen werden und rückwirkend ab dem 1. Januar 2018 gelten. Wir erklären, warum das Konzept den Wohnungsmarkt nicht entlasten wird.
Union und SPD haben sich darauf geeinigt, Familien einen Zuschuss von 1200 Euro je Kind über einen Zeitraum von zehn Jahren beim Ersterwerb einer Immobilie zu zahlen. Das zu versteuernde Haushaltseinkommen darf nicht höher als 75 000 Euro liegen. Pro Kind wird ein Freibetrag von 15 000 Euro gewährt. Konkret bedeutet das: Eine Familie mit zwei Kindern darf maximal im Jahr 105 000 Euro verdienen.
Zum Brutto-Einkommen werden zunächst mögliche weitere Einnahmen wie Zinsen oder Mieten addiert. Sonderausgaben, Vorsorgeaufwendungen, Freibeträge und außergewöhnliche Belastungen können abgezogen werden. Das zu versteuernde Haushaltseinkommen liegt damit deutlich unter dem Bruttoverdienst.
Das Bundesfinanzministerium rechnet anfangs mit etwa 400 Millionen Euro im Jahr. Die Kosten steigen dann stark an, und zwar bis auf vier Milliarden Euro jährlich. Binnen zehn Jahren dürfte das Baukindergeld den Steuerzahler 22 Milliarden Euro kosten.
Das Pestel-Institut (Hannover) hat die Wirkung des Baukindergeldes im Auftrag von Immobilienverbänden untersucht. Ergebnis: Wegen der relativ hohen Einkommensgrenzen profitieren vor allem jene Familien, die sich auch ohne staatliche Hilfe eine Immobilie kaufen würden. „Es gäbe sicherlich Mitnahmeeffekte“, sagt Matthias Günther, Mitautor der Studie. Wie einst die Eigenheimzulage wäre das Baukindergeld damit ein Geschenk an die relativ gut verdienende Mittelschicht.
Laut Pestel-Studie ja. Da die Förderung in allen Regionen der Republik gleich hoch ist, wirkt sie vor allem dort, wo die Immobilienpreise eher niedrig sind. Bei einem Kaufpreis von 200 000 Euro fallen 24 000 Euro Baukindergeld deutlich mehr ins Gewicht, als wenn die neue Immobilie 500 000 Euro kostet. Neue Wohnungen entstehen also eher in ländlichen Regionen — dort, wo es schon heute oft keinen Mangel, sondern sogar Leerstand gibt.
Ja. Auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln rät in einer Studie vom Baukindergeld ab. Der Leerstand in strukturschwachen Regionen werde sich verstärken. In Ballungsgebieten werde das Konzept „vor allem zu höheren Preisen beitragen, da Bauträger das Baukindergeld einpreisen können“. Anders gesagt: Das Angebot an Bauland in den Städten bleibt knapp, aber die Käufer verfügen durch die Förderung des Staates über mehr Geld, was zu höheren Preisen führt.
Die Groko will den Bau von bezahlbaren Wohnungen fördern. Dafür sollen bis zu zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist es, dass bis 2021 bis zu 1,5 Millionen neue Wohnungen entstehen. Aber: Während die Pläne beim Baukindergeld sehr konkret sind, ist das beim sozialen Wohnungsbau nicht der Fall.
Die Mietpreisbremse gilt derzeit in 313 von rund 11 000 Städten und Gemeinden in Deutschland, in denen etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt. In NRW greift die Bremse unter anderem in Düsseldorf, Ratingen, Meerbusch, Neuss und Köln. Vermieter dürfen dort nur eine Miete fordern, die höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt — es sei denn, die Vormiete lag bereits über dieser Grenze. Aber: Der Vermieter muss die Höhe der bisherigen Miete nur auf Anfrage des neuen Mieters nennen. Union und SPD wollen das ändern: Der Vermieter soll verpflichtet werden, immer Auskunft über die Vormiete zu geben.
Das ist unklar. Über die Details sind sich Union und SPD noch nicht einig. Mangels Sanktionsmöglichkeiten und Unkenntnis der Vormieten wird die Mietpreisbremse heute oft nicht ernst genommen. Wie die Strafen für Vermieter, die sich nicht an das Gesetz halten, aussehen sollen, ist offen. Nicht entschieden ist zudem, ob nur noch acht statt elf Prozent der Sanierungskosten vom Eigentümer auf die Mieter umgelegt werden können.