Weniger Menschen machen sich selbstständig
Frankfurt/Main (dpa) - Der Arbeitsmarkt ist robust wie selten, gleichzeitig schwächelt die Konjunktur: Deshalb wird es nach Einschätzung der Förderbank KfW 2012 erneut weniger Unternehmensgründungen in Deutschland geben.
„Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Gründungen 2012 zurückgeht“, sagte KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner der Nachrichtenagentur dpa.
Weil es weniger Arbeitslose gebe, würden weniger Menschen aus der Not heraus eine Firma gründen. Zudem erhöhe die Konjunkturflaute die Wahrscheinlichkeit, mit einem jungen Unternehmen zu scheitern, sagte Zeuner: „Wir sehen derzeit nicht die Impulse.“
Hinzu komme, dass zuvor arbeitslose Unternehmensgründer seit Ende 2011 nicht mehr automatisch auf Antrag einen Zuschuss der Bundesagentur für Arbeit bekämen. „Früher hatten Gründer aus der Arbeitslosigkeit heraus darauf einen Rechtsanspruch, jetzt ist es eine Ermessensleistung der Arbeitsagentur“, sagte Zeuner. Dabei gehe es um Zuschüsse von anfangs monatlich 300 Euro.
Durch die Neuregelung scheuten Menschen möglicherweise vor dem Schritt ins Unternehmertum zurück. Das Ganze könne aber auch eine gute Seite haben: Der Ermessensspielraum erlaubt eine Auswahl der Gründungen, die Erfolg versprechen.
Im ersten Halbjahr 2012 habe sich das Gründungsgeschehen nach Zahlen des Statistischen Bundesamts bereits um 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr abgeschwächt, sagte Zeuner. „Wir erwarten nicht, dass das im zweiten Halbjahr korrigiert wird.“ Im kommenden Jahr rechne die KfW mit Stabilität auf niedrigem Niveau.
Schon 2011 war die Zahl der Neugründungen nach einer gemeinsamen Studie der staatlichen KfW Bankengruppe und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) um zwei Prozent auf 185 000 gesunken. Dabei wurden 416 000 neue Stellen geschaffen - 15 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. 59 Prozent dieser Jobs besetzten die Gründer selbst, der Rest entstand für abhängig Beschäftigte.
Nach den Angaben liegt die Zahl der Unternehmensgründungen seit Jahren weit unter dem Rekordjahr 2004 mit 241 000 neuen Firmen. „Damals wurden Ich-AGs eingeführt, das hat die Zahl der Notgründungen maximiert“, sagte Georg Licht, Leiter des Forschungsbereichs Industrieökonomik und Internationale Unternehmensführung beim ZEW.
Schon in den ersten fünf Geschäftsjahren verschwinden rund 40 Prozent der neuen Firmen wieder vom Markt. Daher gingen die Forscher in ihrem jüngsten Gründungspanel auch der Frage nach, warum ein junges Unternehmen scheitert oder erfolgreich ist.
Ergebnis: Fast jede zehnte neue Firma muss in den ersten fünf Geschäftsjahren Insolvenz anmelden. „Andere verschwinden vor allem deshalb, weil sich die Einkommenserwartung der Gründer nicht erfüllt, oder weil sie die Anforderungen der Selbstständigkeit an das Privat -und Familienleben unterschätzt haben“, sagte Licht. Und einige würden die Notbremse schon vor der Insolvenz ziehen: Sie merken rechtzeitig, dass ihre Geschäftsidee nicht gut genug ist.
Nach der Studie deuten vor allem eine hohe Fluktuation bei den Mitarbeitern und Finanzierungsprobleme auf ein frühes Scheitern eines Unternehmens hin. Ersteres verursache Kosten, etwa durch den Verlust des Wissens der ausgetretenen Mitarbeiter oder die Suche nach neuen Mitarbeitern und deren Einarbeitung. Letzteres ziehe sich wie ein roter Faden durch die Geschäftsjahre: Nach der Studie halten sich anfängliche Finanzierungsschwierigkeiten über Jahre hartnäckig.
Hingegen entscheide der Ausbildungsgrad des Gründers nicht über das Überleben seines Unternehmens, sagte Licht: „Gründer mit niedrigerem Bildungsniveau haben auch deutlich geringere Ansprüche etwa an das Einkommenniveau. Deshalb sind die Schließungsraten langfristig unabhängig vom Bildungsniveau der Gründer.“
Die Forscher hatten sich bei ihrer Erhebung auf sogenannte wirtschaftsaktive Firmen konzentriert. Darunter fallen Unternehmen, die entweder im Handelsregister eingetragen sind oder sich für ihren Start Kapital von außen geholt haben. Kleinstgründungen im Nebenerwerb oder von Freiberuflern wie Ärzten oder Rechtsanwälten werden nicht erfasst.