Weselsky will nicht kneifen
Der Bahnstreik findet statt. Die Empörung über den Ausstand in Politik und Öffentlichkeit ist groß.
Berlin. Die Stimmung unter den Reisenden am Berliner Hauptbahnhof am Mittwoch war mies. „Das ist übel“, meinte einer. Ein anderer ergänzte: „Eine totale Sauerei!“ Positives von den Fahrgästen über die Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL), gar Unterstützung für deren Anliegen, war auf den Bahnsteigen nicht mehr zu hören. Die Zeit dafür ist wohl vorbei, die GDL steht öffentlich alleine da mit ihrem Arbeitskampf. Abblasen will sie den neuen Streik jedoch nicht.
Bis Montagfrüh soll der viertägige Ausstand dauern. 98 Stunden allein im Personenverkehr. Ein Rekord. Es werde zu deutlichen Einschränkungen kommen, meinte am Mittwoch der Personenverkehrsvorstand des Unternehmens, Ulrich Homburg, bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Man werde für den Kunden aber verlässliche Ersatzfahrpläne einrichten (s. Infokasten). Demnach soll ein Drittel des regulären Fernverkehrsangebotes aufrechterhalten werden. Im Regionalverkehr im Osten sollen es 20 und im Westen zwischen 40 und 60 Prozent sein.
Personalvorstand Ulrich Weber erklärte, dass Verhalten der GDL sei „respektlos“. Es gehe nur noch um Macht- und Einflussfragen. Die Lokführer-Gewerkschaft will künftig auch für das Zugpersonal zuständig sein, darum dreht es sich insbesondere bei dem Konflikt. Gleichzeitig machte Weber ein Angebot, jeweils einen unabhängigen Schlichter zu benennen.
Aus der Politik kamen ähnliche Forderungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte: „Ich kann nur an das Verantwortungsbewusstsein appellieren, hier Lösungen zu finden, die für uns als Land einen möglichst geringen Schaden haben — bei aller Wahrung des Rechts auf Streik.“ Auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ging hart mit den Funktionären der GDL ins Gericht: „Was derzeit passiert, ist ein Missbrauch des Streikrechts.“
Nun sollen die Daumenschrauben angezogen werden. Das Gesetz zur Tarifeinheit sei „dringlicher denn je“, betonte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) riet der Bahn, zu klagen.
Der, der inzwischen wohl zum Buhmann einer ganzen Nation geworden ist, GDL-Chef Claus Weselsky, lud am Nachmittag in ein Berliner Hotel zur Pressekonferenz ein. Dass er unter enormen Druck steht, war ihm anzusehen.
Der Vorschlag der Schlichtung habe ihn um 12.53 Uhr erreicht. Und man habe nicht lange gebraucht, ihn abzulehnen. Die Bahn versuche, sich mit einem „perfiden Medienspektakel“ aus der Schusslinie zu nehmen. Der vorgelegte Tarifvertrag sei „unanständig“, so Weselsky. Vor allem aber wolle der Konzern die Tarifeinheit vorwegnehmen und „grundgesetzliche Rechte verletzen“. Er sagte, der öffentliche Umgang mit ihm sei schon „schmerzensgeldfähig“. Er werde deshalb aber nicht „kneifen“.