Wirtschaftsexperte Prof. Peter Bofinger: Der Sparhammer schadet dem Sozilastaat
Interview: Prof. Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrats, kritisiert die Schuldenbremse und fordert höhere Steuern.
Düsseldorf. Herr Prof. Bofinger, die Bundesregierung hat den Sparhammer ausgepackt - 80 Milliarden Euro sollen bis 2014 eingespart werden. Würgt die Politik damit den zarten Aufschwung wieder ab und spart sie die Republik zu Tode?
Bofinger: Unser Grundproblem ist die Schuldenbremse. Damit hat sich die Bundesregierung selbst eine Zwangsjacke angelegt und ihre Gestaltungsspielräume deutlich eingeschränkt. Deutschland ist aktuell die Konjunkturlokomotive in Europa. Es wäre gut gewesen, wenn wir diese Rolle noch eine Weile übernommen hätten. In den vergangenen Jahren haben dies ja auch andere Länder für uns getan. Das tun wir nun nicht, wir sparen stattdessen. Es ist aber nicht gut, wenn alle Länder in Europa gleichzeitig auf die Bremse treten. Das Sparpaket kann der Konjunktur daher durchaus einen Dämpfer verpassen.
Bofinger: Die von der Bundesregierung beschlossene Maßnahme unterscheidet nicht zwischen guten und schlechten Schulden. Da liegt das Grundproblem: Auch gute Schulden, die für Investitionen gemacht werden, darf es nicht geben. Die Herren Struck und Oettinger, die sich das ausgedacht haben, sind eben Juristen und keine Ökonomen. Sie haben nach dem Prinzip der schwäbischen Hausfrau, nicht aber nach dem Prinzip der schwäbischen Unternehmerin gehandelt. Die Hausfrau versucht, mit dem Geld auszukommen, das sie hat. Die Unternehmerin dagegen wird Schulden machen, wenn die Zinsen niedrig sind und sie sich von den Investitionen etwas verspricht. Da hat die Politik nicht auf die Sachverständigen gehört und die goldenen Regeln der Finanzpolitik missachtet.
Bofinger: Wenn wir die Ausgabenkürzungen betrachten, gibt es durchaus positive Ansätze. Das Sparpaket wird auf viele und auf breite Schultern verteilt, beispielsweise auch auf die Schultern der Energiewirtschaft und künftig auch der Banken. Negativ zu verbuchen ist, dass nun ein Teil des Sozialstaates verloren geht. Bei den Beziehern von Arbeitslosengeld II beispielsweise sollen die Beiträge zur Rentenversicherung eingespart werden. Der Bund spart damit zwar heute, doch muss er später dafür fehlende Renten aufstocken. Auch Übergangsgelder für Arbeitlosengeld II-Empfänger sollen wegfallen. Da stürzen Menschen künftig steil ab. Und dabei trifft es diejenigen, die bis dahin immer gearbeitet haben. Wenn man gleichzeitig die Hotelbranche durch die Absenkung der Mehrwertsteuer um eine Milliarde Euro entlasten kann, erkennt man eine Schieflage.
Bofinger: Da werden wir nicht drumherum kommen. Diese Sparmaßnahmen sind ja nur ein erster Schritt, bevor es ans Eingemachte geht. Ich halte eine höhere Einkommensteuer ist durchaus vertretbar. Es waren ja nicht die Sozialausgaben, die den Staat so tief in die Schulden getrieben haben. Der Staat hat Banken gerettet und die Folgen der Finanzkrise bewältigen müssen. Das hat er vor allem deshalb getan, um die Ersparnisse und Lebensversicherungen der Bürger zu retten. Insofern halte ich es für gerechtfertigt, wenn sie über eine höhere Einkommensteuer beteiligt werden.
Bofinger: Zu Zeiten Helmut Kohls gab es einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent, und das ging auch. Auch über eine Vermögenssteuer sollte man nachdenken. Deutschland nimmt im Vergleich selbst zu sehr marktliberalen Ländern Staaten wie den USA in diesem Bereich bisher deutlich weniger Steuern ein.
Bofinger: Eine Erhöhung halte ich nicht für sinnvoll, da sie zu Lasten der Binnenkonjunktur geht. Da könnte ich mir andere Sparmaßnahmen vorstellen, beispielsweise bei der staatlichen Förderung der privaten Altersvorsorge. Dass ich als Professor Riester-gefördert werden könnte, ist nicht sinnvoll. Das Geld sollte besser investiert werden.
Bofinger: Wir müssen wieder zu einer normalen Lohnentwicklung kommen. Ein Plus von drei Prozent halte ich für angemessen. Das würde auch anderen europäischen Ländern, beispielsweise Spanien, die Möglichkeit geben, wieder zu uns aufzuschließen. Die Lohnstückkosten sind dort deutlich höher als bei uns. Die von der Bundesregierung nun geplante Absenkung der Beamtengehälter beinhaltet durchaus deflationäre Tendenzen.
Bofinger: Die aktuelle Entwicklung des Euro halte ich für nicht so schlimm. Wir hatten schon Kurse von 0,80 Dollar je Euro. Devisenmärkte sind eben manisch-depressiv und spinnen ein bisschen. Eigentlich ist die Situation nicht schlecht: Wir haben in Deutschland gute Auftragseingänge und einen erfolgreichen Export. Der gesamte Euro-Raum wird durch die aktuelle Kursentwicklung billiger. Das hilft beispielsweise auch Griechenland. Wir brauchen wirtschaftliche Dynamik, um aus den Schulden zu kommen.