Zinsen: EZB kämpft gegen Geldentwertung

Nach langer Enthaltsamkeit hat Europas Notenbank die Zinsen erhöht. Es hagelt von allen Seiten heftige Kritik.

Frankfurt. So umstritten war eine Zinserhöhung selten. Nicht nur die Gewerkschaften sind - wie üblich - über die erste Zinsanhebung der Europäischen Zentralbank (EZB) seit mehr als einem Jahr empört. Kritik kommt auch aus der Politik, und selbst im EZB-Rat gehen die Meinungen auseinander. Dennoch erhöhten die Währungshüter gestern den Leitzins im Euro-Raum von 4,0 auf 4,25 Prozent. Für die Notenbank steht der Kampf gegen die Inflation an erster Stelle. Kritiker halten die Anhebung dagegen für reines Gift für die Konjunktur, die bereits an Tempo verloren hat.

"Wir müssen entschlossen vorgehen gegen alle Gefahren für die Preisstabilität", verteidigte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet die Entscheidung. Schon vor einem Jahr wollte die EZB die Zinsen weiter anheben, doch der Ausbruch der Finanzmarktkrise kam ihr in die Quere. Während die US-Notenbank Fed mit drastischen Zinssenkungen bis auf 2,0 Prozent reagierte, hielten die europäischen Währungshüter still. Nun ist die Inflation im Euro-Raum infolge hoher Öl- und Lebensmittelpreise im Juni auf den Rekordwert von 4,0 Prozent gestiegen - das ist doppelt so hoch wie die Zielmarke der EZB von zwei Prozent und zwingt den Rat zum Handeln. Aufgaben der Notenbank sind, Preisstabilität zu wahren und Geldentwertung zu verhindern.

Höhere Zinsen machen Kredite für Verbraucher und Unternehmen teurer und sollen die umlaufende Geldmenge reduzieren. Zugleich verpassen sie Investitionen und privatem Konsum einen Dämpfer. Die Bremswirkung wird 2009 einsetzen - doch ausgerechnet dann könnte die Konjunktur einen Impuls brauchen. Die Angst vor einer Stagflation - hoher Inflation mit gleichzeitig geringem Wirtschaftswachstum - macht die Runde.

"In dieser Situation die Zinsen zu erhöhen, stößt die Wirtschaft Richtung Abschwung", kritisiert der Europa-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) malt das Schreckgespenst an die Wand, die Zinserhöhung gefährde hunderttausende Jobs in Europa. Zudem treiben steigende Zinsen den Euro-Kurs nach oben. Anleger schichten dann ihr Geld in den Euro-Raum um. Der starke Euro belastet aber schon jetzt die deutschen Exporteure, weil er Warenverkäufe ins Ausland verteuert.

Der politische Gegenwind lässt die Notenbanker kalt. "Wir tun, was wir für richtig halten. Wir können keine Anweisungen entgegennehmen", betont Trichet die Unabhängigkeit der EZB.