Adel auf Abwegen: Luxusmarken in neuen Segmenten
Crewe/Limburg (dpa/tmn) - Im Bentley auf den Schotter und mit einem Lamborghini auf Familienausflug? Bislang war das eher nicht im Sinne der Entwickler. Doch nun erweitern Luxushersteller ihre Modellpaletten - mit Autos, die vor Jahren noch undenkbar gewesen wären.
Die Krise hatte auch die Hersteller von Luxusautos voll erfasst. Doch in der Automobilbranche herrscht wieder Aufwind, und das setzt eine gewisse Experimentierfreude frei: Die Marken mondäner Karossen wollen ihre Modellpalette deutlich erweitern und planen dabei Fahrzeuge in für sie ganz untypischen Segmenten - zum Beispiel Geländewagen.
So auch Bentley: Die britische VW-Tochter bereitet nach Angaben von Firmenchef Wolfgang Dürheimer das erste SUV in der Top-Luxusklasse vor. Der bislang noch namenlose Allradler soll in zwei bis drei Jahren auf den Markt kommen und in vielerlei Hinsicht die Spitze markieren. „Er wird größer, luxuriöser und stärker als alles, was es in diesem Segment bislang gibt.“ Dürheimers Versprechen klingt vollmundig. Als Motorisierung soll der sechs Liter große Zwölfzylinder-Motor mit 423 kW/575 PS aus dem Coupé Continental GT zum Einsatz kommen. Aber auch mit einem Dieselmotor wird geplant.
Manager Dürheimer leitet neben Bentley auch die Marke Bugatti. Für die Franzosen steht ebenfalls ein neues, weitaus weniger klassisches Modell an: Statt des Supersportwagens Veyron will Dürheimer die Luxuslimousine Galibier auf die Räder stellen lassen, die es bisher nur als Studie gibt. Anders als der Veyron handelt es sich um einen 5,36 Meter langen Viertürer, der allerdings nicht minder sportlich unterwegs sein soll. Schließlich bekommt er den bekannten W16-Motor, und schon im Veyron leistet dieser Sechzehnzylinder 736 kW/1001 PS. Im Galibier soll er noch stärker werden, das Fahrzeug wird laut Dürheimer aber erst in ein paar Jahren auf den Markt kommen.
Ebenfalls auf Abwegen könnte demnächst Lamborghini unterwegs sein, eine Marke, die aktuell nur flache Superportwagen führt. Es gebe „intensive Überlegungen“, den Modellen Gallardo und Aventador eine neue Baureihe zur Seite zu stellen, sagte Firmenchef Stephan Winkelmann. Gemunkelt wird in Unternehmenskreisen unter anderem über ein Comeback des Geländewagens LM002 aus den 1980er Jahren. Demnach könnte aber auch eine Serienversion der Sportlimousine Estoque kommen, die im Jahr 2008 bereits als Studie gezeigt wurde.
Einen Schritt weiter ist Maserati. Die Fiat-Tochter hat im vergangenen Herbst auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt die SUV-Studie Kubang enthüllt und lässt keinen Zweifel an ihren ernsthaften Absichten. „Der Terminplan ist noch offen, aber gebaut wird das Auto auf jeden Fall“, sagt Pressesprecher Luca del Monte. Der Allradler teilt sich die Technik mit dem Grand Cherokee der Konzernschwester Jeep und bekommt einen V8-Motor, den Maserati bei der ebenfalls im Fiat-Konzern integrierten Marke Ferrari bauen lässt. Zudem gibt es Gerüchte, dass Maserati neben dem für Ende 2012 geplanten Nachfolger der Luxuslimousine Quattroporte noch ein zweites, kleineres Stufenheck-Modell entwickelt.
„Mit neuen Baureihen lässt sich der Absatz auch in den etablierten Märkten weiter steigern, ohne dass die vorhandenen Autos an Exklusivität verlieren“, erläutert Branchenkenner Nick Margetts vom Analyseinstitut Jato Dynamics in Limburg die mutmaßlichen Erwägungen bei den Luxusmarken. Das Beispiel Porsche Cayenne zeige, wie sehr neue Segmente ein Marke beflügeln könnten. Doch müssen Hersteller dann mitunter hinnehmen, wenn sich ihr Image ändert: In China zum Beispiel ist Porsche wegen des mächtigen SUV weniger als Sportwagenlegende bekannt denn als Hersteller großer Geländewagen, räumt ein Porsche-Sprecher ein.
Solche Auswirkungen auf den Ruf einer Marke hält aber auch die Zuffenhausener nicht davon ab, weitere Baureihen zu entwickeln. „Wir werden künftig jedes Jahr eine große Neuheit präsentierten“, kündigt Firmenchef Matthias Müller an. Neben Neuauflagen bekannter Modelle wie des Boxsters und Caymans, wird für 2013 mit einem kleinen Geländewagen unterhalb des Cayenne geliebäugelt - unter dem Arbeitstitel Cajun, die Gerüchteküche brodelt seit Monaten. Auch eine kleine Ausgabe des Panamera könnte demnach kommen.
Gegen den Trend steht die Geschichte von Maybach, der einzigen deutschen Marke in Top-Luxussegment, deren Ende Daimler Chef Dieter Zetsche vor einigen Wochen angekündigt hat. Die rund eine halbe Million Euro teuren Luxuslimousinen Maybach 57 und Maybach 62 verkauften sich zu schlecht, in zehn Jahren wurden 3000 Exemplare ausgeliefert. Die Baureihen sollen immerhin noch so lange produziert werden, bis 2013 die neue Mercedes S-Klasse auf den Markt kommt. Von ihr soll es dann gleich sechs Karosserievarianten geben.