Gefragte Helfer an Autobahnen: Notrufsäulen trotzen Smartphones
Hamburg/Langenau (dpa) - Ob Panne, Unfall oder Unwetter: Was auch immer auf Autobahnen passiert - Hilfe kann über Notrufsäulen angefordert werden. Doch werden die Säulen in Zeiten von Smartphones überhaupt noch genutzt?
Hamburg/Langenau (dpa) - Ob Panne, Unfall oder Unwetter: Was auch immer auf Autobahnen passiert - Hilfe kann über Notrufsäulen angefordert werden. Doch werden die Säulen in Zeiten von Smartphones überhaupt noch genutzt?
Auf dem Weg in den Urlaub mit dem vollgepackten Wagen in die Leitplanke gekracht. Die Autobahn ist übersät mit Autoteilen, der nachfolgende Verkehr kann gerade noch bremsen. Der Handy-Akku ist mal wieder leer. Was nun?
Die Antwort ist orangefarben, zwei Meter groß und steht etwa alle zwei Kilometer am Straßenrand auf deutschen Autobahnen: Notrufsäulen. Die schmalen Helfer werden jedes Jahr tausendfach benutzt. Eine davon besonders häufig: Sie steht an der Autobahn 7 bei Langenau in Baden-Württemberg und trägt das Prädikat Deutschlands meistgenutzte Autobahn-Notrufsäule.
Sie und 16 846 weitere Säulen gibt es an Fernstraßen zwischen Kiel im Norden und Freiburg im Süden. Im Auftrag der Autoversicherer betreibt die GDV Dienstleistungs-GmbH die Notrufsäulen an deutschen Autobahnen.
Ob bei einem Unfall, einer Panne oder bei Fragen nach dem Weg - alle Notrufe gehen in der Zentrale der GDV ein. Dort nehmen Notrufagenten die Gespräche entgegen. Eine davon ist Handan Graf. Die 43-Jährige arbeitet seit zwölfeinhalb Jahren in der Hamburger Notrufzentrale. Schon während ihres Jura-Studiums nahm sie erste Notrufe entgegen. „Es hat so viel Spaß gemacht, dass ich es bis heute mache.“
Auch einige kuriose Anrufe waren dabei: So etwa von einem Mann, der von seinem Freund zu einer Notrufsäule gefahren wurde. „Der hatte vor seiner Haustüre in der Kölner Innenstadt eine Panne“, erinnert sich die 43-Jährige. „Statt mit seinem Handy den ADAC zu rufen, ließ er sich zu einer Säule auf der Autobahn fahren.“ Einen Abschleppdienst konnte Graf nicht schicken. „Er stand ja nicht an der Autobahn.“
Immer wieder riefen auch Menschen an, deren Partner an einer Raststätte alleine weggefahren ist. Oder es werde eine verstopfte Toilette auf einem Rastplatz gemeldet, ergänzt Birgit Luge-Ehrhardt, die als Pressesprecherin bei der GDV Dienstleistungs-GmbH arbeitet.
Mehr als 117 840 Notrufe, Pannen- und Warnmeldungen haben Handan Graf und ihre Kollegen im vergangenen Jahr entgegen genommen. Über die häufige Nutzung in Zeiten von Handys und Smartphones kann Luge-Ehrhardt nur spekulieren: „Funklöcher können Gründe sein, aber auch leere Handy-Akkus. Außerdem kennen viele Menschen die Notrufsäulen. Sie funktionieren schnell und unkompliziert.“
Besonders oft wurde 2013 die Säule an der A7 in Baden-Württemberg betätigt. Kurz hinter dem Autobahnkreuz Ulm-Elchingen an der Ausfahrt Langenau wurden 125 Pannen- und Notrufe abgesetzt. Warum gerade dort besonders häufig Hilfe angefordert wird, ist nicht bekannt. „Wir erheben keine genauen Daten zu den Anrufen, sondern zählen sie lediglich“, erklärt Luge-Ehrhardt.
Notrufsäulen standen bis vor wenigen Jahren auch an zahlreichen Bundes- und Landesstraßen. Doch die Telekom, die für die Wartung verantwortlich ist, will einen Großteil abbauen. Betroffen sei der weit verbreitete Bautyp NRT 80. „Für diese analoge Technik kann die Industrie heute keine Ersatzteile mehr liefern“, sagte ein Telekom-Sprecher kürzlich den „Stuttgarter Nachrichten“. Insgesamt gehe es um 3300 Standorte.
„Der Betrieb und Erhalt der Säulen ist nicht gerade sehr günstig“, erklärt Pierre-Enric Steiger, Präsident der Björn-Steiger-Stiftung. Man bekomme nicht mehr die nötigen Spendengelder für den Betrieb. Heute stehen nur noch in Baden-Württemberg knapp 1700 Notruftelefone an Bundes- und Landesstraßen. „Es gibt weiterhin einen gewissen Bedarf“, sagt Steiger. So gebe es etwa im Schwarzwald viele Funklöcher.
Neben all den kuriosen Anrufen nimmt Notrufagentin Handan Graf immer wieder Notrufe entgegen, wo es um Leben und Tod geht. „Unfälle mit Schwerverletzten oder Toten bleiben mir schon in Erinnerung“, sagt die 43-Jährige. „Nach solchen Anrufen können schon mal ein paar Tränen kullern“, sagt Graf, „man ist trotzdem professionell“. Schließlich kann jederzeit wieder ihr Telefon klingeln. Im vergangenen Jahr ging in der Hamburger Notrufzentrale alle siebeneinhalb Minuten ein Hilferuf ein.