Mängel trotz Marke: Augen auf beim Fahrradkauf
Bremen/Bad Soden (dpa/tmn) - Mit steigenden Temperaturen und länger werdenden Tagen wächst die Lust aufs Radeln. Damit steht manche Neuanschaffung an. Doch welches Fahrrad ist das richtige?
Seit neben angestammten Fachhändlern zahlreiche Online-Shops sowie Super- und Baumärkte Zweiräder anbieten, ist die Übersicht schwieriger geworden. Viele der fabrikneuen Fahrräder sehen ganz gut aus. Doch kann der Schein trügen. Selbst die Schriftzüge bewährter Marken lassen nur noch bedingt Rückschlüsse auf die Qualität zu.
„Die Kunden können kaum unterscheiden, ob ein neues Fahrrad mit hoch- oder minderwertigen Teilen ausgestattet ist“, sagt Bettina Cibulski vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club ADFC. Hinzu komme, dass namhafte Hersteller günstige Serien auflegen, die sie vor allem an Baumärkte ausliefern: „Die Marken-Komponenten an diesen Fahrrädern sind nicht schlecht“, urteilt Konrad Weyhmann von der Paul Lange Gruppe, dem Deutschlandimporteur für Zweiradkomponenten von Shimano, Cat Eye oder RST. Allerdings würden oftmals gute Teile mit minderwertigen No-Name-Komponenten kombiniert: „Da funktioniert dann auch die beste Schaltung nicht mehr.“
„Ich kann nur jedem empfehlen, im Fachhandel zu kaufen“, rät daher Stephan Schreyer vom Zweirad Industrie Verband (ZIV). Zwar seien Räder dort teurer, doch Qualität sei einfach nicht für 200 Euro zu haben. 500 Euro müssten für ein gutes Fahrrad, egal welchen Typs, mindestens hingelegt werden. Zudem erhalte der Kunde im Fachhandel fundierte Beratung. „Vielfach wissen Kunden gar nicht so genau, was für ein Fahrrad sie brauchen, wie groß es sein soll und welche Ausstattung wichtig ist“, sagt Cibulski.
Die Bedürfnisse sind so verschieden wie die Fahrräder selbst: Wer vor allem für Einkäufe in die Pedale tritt, kann sich für ein Cityrad entscheiden, auch Urban-Bike genannt. Gemessen an den Verkaufszahlen am beliebtesten ist aber das rundum einsetzbare Trekkingrad. Über manches darf letztlich auch der Geschmack oder die Abwägung entscheiden: Dünne Felgen machen zwar Geschwindigkeit - sich zugleich aber auf Kopfsteinpflaster schlecht. Cruiser bügeln Unebenheiten einfach weg, sind aber wenig wendig. Doch eines sollte in jedem Fall stimmen, raten die Experten: die Rahmenhöhe, die am besten gemeinsam mit dem Fachhändler ermittelt werden könne.
Äußerst kritisch sehen die Fahrradexperten den Kauf im Internet. Denn nicht nur jede Beratung fehle beim Online-Shoppen, auch die Möglichkeit zur Probefahrt entfalle. Hinzu kommt: Die Räder werden nur vormontiert; letzte Schrauben müssen also noch selbst angezogen werden, bevor es losgehen kann. Für Kunden, die genau wissen, was sie wollen, sind online dagegen Schnäppchen drin. „Nach unserer Erfahrung sind es vor allem Fahrradfahrer aus dem High-End-Bereich, die über das Internet kaufen“, sagt Schreyer.
Aber der Internet-Handel mit Fahrrädern macht laut ZIV ohnehin nur zwei Prozent des Gesamtumsatzes aus und ist weiter rückläufig. Steigender Beliebtheit erfreuen sich demnach indes Vehikel einer vergleichsweise neuen Gattung: die Pedelecs. Sie kosten im Schnitt zwischen 1500 und 1800 Euro und verzeichnen derzeit zweistellige Zuwachsraten. Doch gerade bei diesen Fahrrädern mit elektrischem Hilfsmotor rät Schreyer zu umfassender Beratung.
„Pedelecs gibt es mit verschiedenen Antriebsarten. Der Motor kann sowohl vorne, in der Mitte oder auch hinten sitzen, was sich sehr auf die Fahreigenschaften auswirkt“, nennt Schreyer die Varianten. Wer beispielsweise in einer hügeligeren Umgebung wohnt, benötige ein E-Bike mit entsprechend leistungsstarker Batterie - vergleichbar mit einer gut übersetzten Schaltung, die man in gleichem Terrain bei herkömmlichen Rädern benötige. Am beliebtesten sind Pedelecs dem ZIV zufolge derzeit bei Kunden der Altersklasse 50+. Doch wachsendes Interesse erzeugen sie auch bei Berufspendlern - eine Gruppe, die bis dato eher nicht auf dem Fahrrad unterwegs ist.
Schlussendlich Beachtung beim Kauf finden sollte auch: Nicht jedes neue Fahrrad darf automatisch auf öffentlichen Straßen genutzt werden. „Ein verkehrssicheres Fahrrad muss über eine fest installierte Beleuchtungsanlage, eine Klingel, zwei unabhängig voneinander funktionierende Bremsen sowie über Reflektoren verfügen“, nennt Cibulski die wichtigsten Merkmale. Viele wüssten nicht, dass ein nachträglich angeklemmtes Akku-Licht eigentlich der Straßenverkehrsordnung (§ 67 StVZO) nicht genügt. In der Praxis jedoch drücke die Polizei in solchen Fällen meist ein Auge zu und verzichte auf die zehn Euro Verwarngeld.