Nicht mehr ganz so dicke: Trend geht zu Kompakt-SUVs
Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Der Parkraum in den Städten ist knapp, der Sprit teuer: Wer will noch einen dicken Geländewagen fahren, wenn er so viel Auto gar nicht braucht, SUVs aber trotzdem sexy findet?
Deshalb geht der Trend in diesem Modesegment zu kompakten Modellen.
Der Andrang ist gigantisch: Heerscharen von Journalisten und Ausstellern ringen in der mehrstöckigen Mercedes-Arena auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt um die besten Plätze. Sie machen lange Hälse, um bloß nichts zu verpassen. Eine Live-Band gibt den Takt vor, dann rollt er über eine Rampe auf die riesige, mit Abertausenden LEDs illuminierte Glitzer-Bühne: der Mercedes GLA.
Die Stuttgarter setzten ihr erstes Kompakt-SUV bei der Premiere auf der IAA (Publikumstage: 14. bis 22. September) wie einen Superstar in Szene. Und das, obwohl der GLA recht spät kommt: Von den deutschen Premium-Herstellern ist Mercedes der letzte, der einen sportlichen Geländewagen im Kompaktformat auf den Markt bringt. BMW legte 2009 mit dem X1 vor, Audi brachte 2011 den Q3. Mit dem Auto sei es eben wie mit dem royalen Baby der Windsors, flachste Daimler-Boss Dieter Zetsche: Es habe damit länger gedauert, dafür sei es nun umso schöner. Außerdem kommt der Trend zu kleineren SUVs jetzt erst so richtig in Fahrt.
„SUVs sind ein Verkaufsschlager und werden es vorerst bleiben“, sagte Automobilforscher Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut der Universität Duisburg-Essen. „In den ersten sieben Monaten dieses Jahres waren rund 16 Prozent der 1,76 Millionen neu zugelassenen Pkw in Deutschland SUVs, im gesamten Jahr 2009 kamen sie noch auf einen Anteil von etwas mehr als 7 Prozent“. Und die Nachfrage steigt weiter. „Um das Jahr 2020 werden nach unseren Prognosen ein Drittel aller verkauften Neuwagen SUVs sein.“ Getrieben werde das Wachstum durch die Kompaktmodelle und in naher Zukunft noch stärker durch Kleinst-SUVs.
Gute Voraussetzungen also für den Mercedes GLA: Mit seiner Länge von 4,42 Metern liegt er zwischen dem Audi Q3 und dem größeren BMW X1. Die klaren, leicht geschwungenen Linien im Blech und die geringe Dachhöhe von gerade einmal 1,49 Metern bescheren dem auf der Plattform der A- und B-Klasse basierenden Wagen einen sehr dynamischen Auftritt. Die Oberflächen im Cockpit wirken wertig, einige Assistenzsysteme wie Müdigkeits- und Kollisionswarner sind serienmäßig an Bord. Zum Start des GLA, der ab November mit und ohne Allradantrieb bestellbar sein wird, haben Kunden die Wahl zwischen je zwei Otto- und Dieselmotoren mit 100 kW/136 PS bis 155 kW/211 PS.
Dass auch andere Hersteller wissen, worauf Autokäufer heute und morgen abfahren, zeigen auf der IAA mehrere Studien für neue Kompakt- und Mini-SUVs. Suzuki zum Beispiel präsentiert dort den nur 4,22 Meter langen, aber trotzdem ziemlich bulligen iV-4. Das Konzeptfahrzeug ist 8 Zentimeter kürzer als der neue SX4, dem sich das für 2015 versprochene Serienmodell unterordnen wird. Außerdem wird der Wagen laut Suzuki Offroad-Qualitäten haben, was nur wenige Hersteller von ihren SUVs behaupten können.
Wie Suzuki verschlägt es Kia mit dem 4,19 Meter langen Showcar Niro zwar auch ins B-Segment, aber sicher nicht in die Botanik: Die schnittige Karosserieform und die für den Wow-Effekt auf der Messe montierten Flügeltüren sind ein deutliches Signal der Koreaner, ein schickes Mini-SUV für den Großstadtdschungel bauen zu wollen. Die Entscheidung über ein entsprechendes Serienmodell steht noch aus, das Auto sei frühestens in zwei Jahren zu erwarten, hieß es bei Kia.
Citroën demonstriert mit dem Cactus, wie sympathisch ein SUV aussehen kann. Mit seinen Rundungen, glatten Flächen und den neuartigen Stoßschutz-Pölsterchen an Flanken, Front und Heck wirkt das 4,20 Meter lange Konzeptauto im Gegensatz zu den meisten anderen sportlichen Geländewagen knuffig statt aggressiv. Der Cactus nimmt das Design für die Nachfolger der Modelle C1 bis C5 vorweg. „Die wollen wir so noch stärker von der DS-Linie abgrenzen“, erklärte Citroën-Sprecher Stephan Lützenkirchen. Außerdem gibt die Studie einen Ausblick auf ein SUV-Coupé unterhalb des Citroën C4 Aircross.
Harte Kanten hat die Toyota-Edelmarke Lexus dem Vorboten für ihr erstes kompaktes SUV verpasst. Die Studie LF-NX misst in der Länge 4,64 Meter, markant sind der monströse Kühlergrill und die weit ausgestellten Kotflügel. Ein neuer Lexus im Format des LF-NX wird wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen: In Unternehmenskreisen hieß es, dass ein Geländewagen unterhalb des RX beschlossene Sache sei, angeblich schon für 2014.
Aktuell können SUV-Käufer in Deutschland laut Prof. Dudenhöffer zwischen 78 Modellen von 32 Automarken wählen. In den nächsten fünf Jahren werden seiner Einschätzung nach um die 10 Marken dazukommen, für die SUVs bisher kein Thema waren. Jaguar zum Beispiel: Der traditionsreiche Hersteller für Luxuslimousinen und Sportwagen hat auf der IAA die Studie C-X17 enthüllt - von außen unverkennbar ein Jaguar mit Designanleihen am XJ und F-Type, aber eben in ungewohntem Format. Die Briten meinen es ernst damit: Das 4,72 Meter lange Auto stehe auf einer komplett neuen Plattform und zeige die Möglichkeit auf, wichtige Wachstumssegmente zu erschließen.
Ein alter Hase im SUV-Geschäft ist BMW: Auf der IAA präsentiert der Münchner Autobauer die dritte Generation des X5 im behutsam modernisierten Blechkleid mit verbesserter Innenausstattung und mehr Assistenzsystemen. Kurz nach der Markteinführung im November wird es den großen Geländewagen erstmals auch mit einem Vierzylinder-Diesel und ohne Allrad geben. Außerdem ist ein Plug-in-Hybridantrieb geplant: 30 Kilometer Reichweite pro Akkuladung im reinen Elektrobetrieb und weniger als 4 Liter Normverbrauch stellen die Bayern in Aussicht - die entsprechende IAA-Studie heißt X5 eDrive Concept.
Wie bei BMW der X5 geht bei Nissan der X-Trail in die dritte Generation. Die V-förmige Front, die leicht geschwungene Dachlinie und die Bumerang-Rückleuchten sind bezeichnend für eine neue Formensprache der Japaner. Der künftige X-Trail macht äußerlich mehr auf Crossover als auf Offroader. „Im Juli 2014 bringen wir das Auto auf den Markt“, sagte Firmensprecher Michael Bierdümpfl.
Damit ihre SUVs neben all den neuen, neu aufgelegten und visionären Modellen der Mitbewerber nicht alt aussehen, haben viele Hersteller Altbewährtes frisch geschminkt und teils technisch verbessert: Dacia gönnte dem Duster ein Facelift, Land Rover dem Discovery und dem Range Rover Evoque. Und Skoda demonstriert auf der IAA, wie sich aus einem alten Kompakt-SUV zwei neue machen lassen: Den Yeti gibt es künftig in optisch voneinander abgegrenzten Varianten für Stadt und Schotterpiste.