Neue Hybridsysteme gegen den Spritdurst

Berlin (dpa/tmn) - Energie speichern, wo es geht: Fürs Spritsparen feilen die Autohersteller an den Motoren, Potenzial bietet aber auch der Schwung während der Fahrt, der nur gespeichert werden muss.

Dazu bedienen sich einige Autobauer teils altbekannter Technik.

Schon das alte Dreirad von Carl Benz hatte eines, es diente im Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 von 1886 zum Anlassen des Motors. Die Rede ist vom Schwungrad, das mancher Fahrzeughersteller für den Einsatz in modernen Autos als Energiespeicher gerade wiederentdeckt. Mit Drucklufttanks ist aber auch ein anderes Verfahren in der Entwicklung. Beide Technologien haben eines gemein: Sie sollen beim Spritsparen helfen - und manchmal auch den Fahrspaß steigern.

Einen Kraftbonus von 59 kW/80 PS leistet das Schwungrad, das der schwedische Hersteller Volvo für Serienfahrzeuge fest in Planung hat. Das nur sechs Kilogramm schwere Bauteil aus Carbon ist Teil eines mechanischen Zusatzantriebes, in dem auch ein CVT-Getriebe enthalten ist. Beim Bremsen und Verzögern freigesetzte Energie bringt das Rad zum Rotieren - auf bis zu 60 000 Umdrehungen pro Minute. Gibt der Fahrer wieder Gas, wird der Schwung per Getriebe auf die Hinterachse übertragen und zum Beschleunigen genutzt. „Das funktioniert im Prinzip ähnlich wie bei kleinen Aufziehautos, die auch mit einem Schwungrad losflitzen“, erklärt Volvo-Sprecher Michael Schweitzer.

Volvo verspricht sich von dem Flywheel KERS genannten System, das mit einem Verbrennungsmotor kombiniert wird, eine Spritersparnis von bis zu 30 Prozent gegenüber einem vergleichbaren Sechszylinder-Turbo - auch weil der Verbrenner bei jeder Bremsung pausiert. „Und das System ist kostengünstiger als ein herkömmlicher Elektrohybrid“, sagt Schweitzer.

Aktuelles Versuchsfahrzeug bei Volvo ist ein S60, dessen 187 kW/254 PS starker Sechszylinder mit Hilfe des Schwungrads den Sprint auf Tempo 100 in 5,5 Sekunden ermöglicht. Wann der Schwungradantrieb in Serie geht, steht noch nicht fest. Darauf vorbereitet wäre der kommende XC90, der als erster Volvo die geplante SPA-Plattform nutzt, die sich laut Schweitzer „auch für andere Formen der Hybridisierung eignet“.

KERS-Systeme ohne Schwungräder kommen im Motorsport schon länger zum Einsatz - wenn auch nicht zum Spritsparen, sondern zum kraftvollen Beschleunigen. Die Abkürzung KERS steht für Kinetic Energy Recovery System, also allgemein Energierückgewinnung. Durch das blitzschnelle Abrufen zwischengespeicherter Energie aus einem Akku sind zum Beispiel in der Formel 1 bessere Rundenzeiten drin. Nicht von ungefähr also, dass der Sportwagenhersteller Porsche ein vergleichbares System bereits für sich entdeckt hat.

Anders als im Motorsport setzt Porsche auf ein Schwungrad statt einer Batterie als Energiespeicher. Und: Anders als das mechanische System von Volvo handelt es sich um ein elektrisches. Eingebaut haben die Zuffenhausener es dem 911 GT3 R Hybrid, den sie bereits 2010 auf dem Genfer Autosalon vorstellten. Das Schwungrad rotiert mit bis zu 40 000 Umdrehungen pro Minute. Beim Beschleunigen bremst ein Generator es ab und erzeugt Strom, der in zwei je 60 kW/82 PS starke Elektromotoren an der Vorderachse fließt, die sechs bis acht Sekunden lang Zusatzschub für den 353 kW/480 PS starken Boxer-Motor im Heck liefern.

Zwei weitere Unterschiede zum Volvo-Antrieb Flywheel KERS: „Das System ist speziell auf den Einsatz auf der Rennstrecke abgestimmt“, sagt Porsche-Sprecher Hermann-Josef Stappen. Und er fügt hinzu: „Dieser Schwungradantrieb hat keine Serienchancen. Für elektrische Reichweiten wie bei unseren Plug-in-Hybriden von 35 bis 49 Kilometer würde es schlicht nicht reichen.“

Einen technisch komplett anderen Ansatz, um kinetische Energie zu speichern, hat der französische Konzern PSA Peugeot Citroën umgesetzt: einen Druckluft-Hybridantrieb. Dieser sogenannte Hybrid-Air-Antrieb nutzt Benzin und komprimierte Luft als Energiequellen. Die Franzosen sehen in der Druckluft-Lösung gegenüber bisherigen Hybriden mit der Kombination von Verbrennungs- und Elektromotoren deutliche Einsparmöglichkeiten bei Spritverbrauch und Produktionskosten.

„Der Preis für einen Kleinwagen mit dem Hybrid-Air-System wird in etwa dem eines heutigen Diesel-Kleinwagens entsprechen“, sagt Citroën-Sprecher Stephan Lützenkirchen. Für 2016 sei die Serienproduktion geplant. „Es wird mehrere Fahrzeuge von Citroën und Peugeot geben.“ Denkbar wären zum Beispiel Derivate der Modelle Citroën C3 oder Peugeot 208. Klarer ist bereits das angestrebte Ziel bei der Zügelung des Spritdurstes: „Es werden Verbräuche von unter drei Litern und CO2-Ausstöße von unter 70 g/km möglich“, verspricht Lützenkirchen. Gedacht ist das System vor allem dazu, Fahrzeuge im Stadtverkehr effizienter zu machen.

Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt (Publikumstage: 14. bis 22. September) zeigt Citroën die Studie Cactus, die nicht nur einen Ausblick auf das künftige Design der C-Baureihen gibt, sondern auch ein Hybrid-Air-System eingebaut hat: Im Mitteltunnel sitzt ein Drucklufttank. Mittels überschüssiger Bremsenergie komprimiert eine Pumpe die Luft im Tank und baut Druck auf. Wird dieser freigesetzt, treibt er über eine Hydraulik den Motor und so die Fahrzeugräder an. Zwar reicht die Energie aus dem Druckspeicher nur für rund 400 Meter Fahrt. Dafür ist Lützenkirchen zufolge der Druckspeicher weit schneller geladen als die Batterie eines konventionellen Hybriden.