Nicht nur in die Eisen gehen - Was moderne Bremssysteme können
Stuttgart/Landsberg (dpa/tmn) - Bei der Weiterentwicklung von Pkw-Bremsen sind Verzögerungswirkung und Komfort nur das eine. Das Thema Energieeffizienz fällt immer mehr ins Gewicht: Moderne Bremssysteme helfen beim Spritsparen.
Sie müssen kräftig zubeißen können, aber nicht mehr nur das. Autobremsen sind zwar nach wie vor „das Rückgrat der aktiven Fahrsicherheit“, wie es beim Automobilzulieferer Continental heißt. Doch längst beschäftigt die Entwickler noch ein anderes Thema: Moderne Bremsanlagen sollen die Energie- und Schadstoffbilanz von Fahrzeugen verbessern. Durch Leichtbau lässt sich der Spritverbrauch etwas drücken. Viel mehr Effizienzpotenzial haben Bremsen aber, wenn sie Strom sparen helfen.
1,5 Kilogramm Gewichtseinsparung pro Bremse gegenüber den verbreiteten Faustsattelbremsen verspricht Continental zum Beispiel für eine neue Generation von Festsattelbremsen für Autos ab der Mittelklasse aufwärts. Ihre Bremssättel werden aus leichtem Aluminium statt schwerem Stahl gegossen. Nach Angaben von Unternehmenssprecher Sören Pinkow sollen sie ab 2014 in Serienfahrzeugen verbaut werden.
Das reduzierte Gewicht spiele eine Schlüsselrolle bei der Senkung des CO2-Ausstoßes neuer Modelle, heißt es in der Branche. Das stimmt natürlich. Doch allein die Ersparnis durch leichtere Bremsen macht ein Auto nicht deutlich sparsamer. Eine Faustregel nennt der ADAC: Abhängig von Fahrweise und Antrieb könne rund ein Liter Sprit je 100 Kilogramm weniger Gewicht eingespart werden.
Continental stellt immerhin eine global wachsende Nachfrage nach den leichteren Festsattelbremsen fest, man erfülle die Wünsche der Autohersteller. Hinzu kommt: Wegen ihres geringeren Lüftspiels - das ist der Abstand zwischen Bremsscheibe und Bremsbelag - packen die neuen Bremsen laut Continental auch schneller zu. Allerdings mussten die Entwickler das für Festsättel typische Quietschen beseitigen.
Helmut Klein vom ADAC Technik Zentrum kennt Probleme wie diese: „Es gibt einen Zielkonflikt zwischen Bremswirkung und Komfort.“ Schlechtes Dämpfungsverhalten und pfeifende Bremsen hätten schon so manchen Entwickler vor Rätsel gestellt. Generell habe die Bremsentechnik im Auto in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich Fortschritte gemacht, ohne dass es „technologische Quantensprünge“ gab. So seien sämtliche Komponenten immer besser geworden - von den Zylindern über die Sättel und Bremsbeläge bis hin zu Leitungen und Schläuchen. Mit dem Aufkommen innenbelüfteter Bremsscheiben sei etwa die Kühlung optimiert worden.
Ein Hauptaugenmerk legen die großen Zulieferer derzeit auf den Bremskraftverstärker, der schon für die Entwicklung von Sicherheitssystemen wie dem Antiblockiersystem (ABS) und dem Schleuderschutz ESP als technologische Grundlage diente. Für Autos mit herkömmlichem Antrieb hat Continental Anfang 2013 einen ebenfalls komplett aus Aluminium gegossenen „Booster“ in die Serie gebracht, der rund 50 Prozent leichter ist als die Vorgängergeneration. Gegenüber einem Stahlbauteil wiege er 1,7 Kilogramm weniger.
Mit Bosch arbeitet noch ein anderer großer Zulieferer an einem neuartigen Bremskraftverstärker. Das „iBooster“ genannte elektromechanische System soll vor allem die Akkuleistung von Elektro- und Hybridautos verbessern, kann aber auch in Kombination mit reinen Verbrennern betrieben werden.
Dazu wandelt der „iBooster“ die beim Bremsen entstehende Energie je nach Fahrsituation in elektrischen Strom um (Rekuperation), was die Akkus schont und mehr Reichweite verspricht. Gerade im Stadtverkehr erfolgt die Verzögerung fast ausschließlich über den Elektromotor, der dabei zum Generator wird. Erst bei stärkeren Bremsmanövern werde der Druck über den Bremszylinder aufgebaut. Anders als sonst verzichtet die Bosch-Lösung auf eine Vakuumpumpe zur Bremskraftverstärkung. „Auch das spart Energie, weil die Pumpe immer betrieben werden muss“, erklärt Bosch-Sprecher Udo Rügheimer.
Der „i-Booster“ wird in Volkswagens Elektrokleinwagen e-Up, der im September auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt Premiere feiert, erstmals in einem Serienmodell zum Einsatz kommen, bestätigte VW-Sprecher Harthmuth Hoffmann. Für Elektroautos hat Bosch das Potenzial des neuen Bremskraftverstärkers noch nicht ermittelt. Kommt er bei Direkteinspritzern zum Einsatz, lasse sich der Spritverbrauch damit aber je nach Fahrsituation um einen halben bis einen Liter verringern, sagt Rügheimer.
Eine weitere Stellschraube ist die Reaktionsschnelligkeit von Bremsen. „Bei Oldtimern musste man noch richtig mit voller Muskelkraft in die Eisen treten, um die Fuhre abzubremsen“, so Rügheimer. Das ist lange her. Der „iBooster“ sei selbst gegenüber direkten Vorgängersystemen dreimal schneller und baue den vollen Bremsdruck in rund 120 Millisekunden auf. Die Folge: kürzere Bremswege.
Neben der Verbesserung von Verzögerung und Effizienz haben die Entwickler gerade bei Rekuperationssystemen eine Hürde zu nehmen: Egal ob Bremsscheiben und Beläge aufeinander reiben oder der Elektromotor als Generator bremst - „es kommt es darauf an, dass der Fahrer nichts davon mitbekommt, wie ein Auto verzögert wird“, sagt Constantin Hack, Technikexperte beim Auto Club Europa (ACE). Bosch verspricht für seine Lösungen: „Das gewohnte Pedalgefühl bleibt bestehen.“ Beim „iBooster“ sei es sogar „individualisierbar“ - also frei programmierbar.