McLaren 570S: Engländer im Tiefflug

Berlin (dpa-infocom) — Ferrari und Lamborghini haben sie schon bedrängt, jetzt nehmen sie Porsche und Audi ins Visier: Wenn McLaren Ende November mit dem 181 750 Euro teuren 570S den ersten Vertreter der neuen Sport Series an den Start bringt, treten die Briten erstmals in Konkurrenz zu Wagen wie dem 911 Turbo oder dem R8.

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Wenn der Abstieg zum Aufstieg wird

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McLaren hat das "Super" vor dem Sportwagen gestrichen, den Einstiegspreis um rund 50 000 Euro gesenkt und den V8-Motor um 51 kW/70 PS gedrosselt. Neben dem Geldbeutel wird damit auch das Gewissen entlastet. Zwar ist der 570S mit 328 km/h noch immer ein verboten schnelles Auto. Doch die leichtere Karosse, der schwächere Motor und die erste Start-Stopp-Automatik der Firmengeschichte drücken den Verbrauch auf 10,7 Liter (CO2-Ausstoß: 249 g/km). Es gibt Geländewagen oder Limousinen, die brauchen mehr.

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Für Stammkunden mag der 570S ein Abstieg sein. Doch wer vorher einen anderen Sportwagen gefahren hat, erlebt das neue Modell wahrscheinlich als Aufstieg. Erstens sieht auch der 570S so böse und brutal aus, dass jeder freiwillig die linke Spur räumt. Wofür sonst haben die Designer zum Beispiel den Schmetterlingstüren die Treue gehalten und LED-Leisten in die Leuchten gelegt, die nur noch wenige Millimeter breit sind. Zweitens leistet auch der Rumpfmotor noch immer 419 kW/570 PS und wuchtet 600 Newtonmeter an die Hinterräder. Bei einem konkurrenzlos niedrigen Trockengewicht von 1313 Kilo garantiert das einen Fahrspaß, wie man ihn in dieser Klasse selten erlebt und allein mit dem Sprintwert von 3,2 Sekunden gar nicht ausdrücken kann.

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Zwei Tasten, und der 570S schaltet auf Angriff

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Erst recht, wenn man Handling und Antrieb mit zwei Tasten auf Angriff schaltet. Schon im Sportmodus wird der 570S spürbar wilder und im Track-Setup lässt er keinen Zweifel daran, das McLaren eigentlich eine Formel-1-Schmiede mit angeschlossener Serienfertigung ist. Das Auto macht sich bretthart, wird brachial schnell und brutal laut. Und wer sich damit um Kopf und Kragen fahren möchte, den wird die Elektronik im Zweifel nicht daran hindern. Klar gibt es die üblichen Schutzengel, aber das Sagen hat am Ende immer der Fahrer - selbst wenn das Heck bisweilen ganz schön quer daher kommt. Nicht minder präzise als Audi oder Porsche, wirkt er damit viel authentischer, ehrlicher und emotionaler, ohne dass er gleich zur Diva wird.

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Aber der 570S kann auch anders. Zum ersten Mal in der Firmengeschichte als Alltagsauto und nicht nur als Sportwagen für gewisse Stunden konzipiert, nimmt sich der McLaren im normalen Set-Up spürbar zurück. Das Fahrwerk federt so weich, dass einem auch vor langen Strecken nicht bange wird, die Lenkung lässt lockerer und selbst der Krach im Nacken ist plötzlich nicht mehr ganz so infernalisch. Draußen brüllt der V8 zwar weiter alles nieder. Aber drinnen kann man sich dann ganz normal unterhalten und entdeckt sogar so etwas wie Komfort in den überraschend dicken Ledersitzen, die man — noch eine Überraschung - elektrisch verstellen kann.

Schminken statt sporteln

Obwohl tatsächlich als Alltagsauto konzipiert und deshalb zum Beispiel erstmals auch mit Handschuhfach oder Schminkspiegel gesegnet, wahrt der 570S auch im Innenraum seinen eigenen Stil: Während man sich in vielen anderen Sportwagen angesichts der Grafikorgien auf den Displays und den meterlangen Schalterbatterien fühlt wie ein Kampfpilot in seinem Cockpit, macht sich der McLaren weniger wichtig, nimmt sich zurück und lässt dem Fahrer die Freiheit, sich aufs Fahren zu konzentrieren. Nur wenige hochpreisige Sportwagen kommen ohne jeglichen Knopf auf dem Lenkrad aus.

Was noch auffällt, ist die für einen Sportwagen überraschend gute Rundumsicht: Mit der tiefen Frontscheibe und den hohen Kotflügeln kann man das Auto perfekt auf der Piste positionieren und beim Schulterblick sieht man genug zum Parken. Nur der Ausblick im Rückspiegel ist ungewöhnlich: Mit dem Einzug für die dritte Bremsleuchte und dem langen Deck über dem Motor sieht es aus, als würde man Rolling-Stones-Chef Mick Jagger aus dem Rachen schauen - aber das passt irgendwie zu so einem vorlauten Engländer.

Fazit: Mit Vollgas auf Augenhöhe

Exotisch, eigenwillig, extrem und trotzdem für einen Sportwagen ungewöhnlich nah am Alltag entwickelt — obwohl McLaren erst seit knapp fünf Jahren Serienautos baut, haben die Briten damit die perfekte Balance zwischen Straße und Strecke gefunden. So fahren sie mit Vollgas auf Augenhöhe mit den etablierten Konkurrenten. Und vielleicht sogar ein bisschen voraus.

Datenblatt: McLaren 570S

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke