Ungestört quatschen und knutschen: 80 Jahre Autokino
New York (dpa) - Einen Film schauen und dabei ohne böse Blicke der anderen Kinobesucher plaudern, flirten und essen? Das geht immer noch am allerbesten in einem Autokino. Auch wenn dessen Hochzeit - genau 80 Jahre nach der Erfindung - inzwischen längst vorbei ist.
Schon John Travolta wusste um die Magie des Autokinos. Als Danny Zuko wollte er sich im Kultmusical „Grease“ mit seiner Sandy dort versöhnen - wo sonst kann man als Teenager ungestört quatschen, knutschen und Popcorn essen? Aber Sandy lief davon und Travolta blieb traurig singend allein zurück: „Ich bin im Autokino gestrandet - was werden die wohl am Montag in der Schule dazu sagen?“
Das war damals, in den späten 70er Jahren, als Autokinos, genau wie Haartollen oder die Jukebox zum Leben eines Jugendlichen in den USA unbedingt dazugehörten. Mehr als 3000 Outdoor-Leinwände gab es da noch zwischen New York und Los Angeles, heute sind es nach Angaben des zuständigen US-Verbands knapp 350. In Deutschland soll es einmal bis zu 40 Autokinos gegeben haben, heute sind es noch etwa halb so viele. Genau 80 Jahre nachdem im allerersten Autokino der Welt im kleinen Städtchen Camden im US-Bundesstaat New Jersey ein Film über die Leinwand flimmerte, ist die Hochzeit der befahrbaren Freiluftkinos trotz treuer Fangemeinde längst vorbei.
Der Geschäftsmann und Filmfan Richard M. Hollingshead betrieb in dem Ostküstenstädtchen Camden - am Delaware River direkt gegenüber von Philadelphia - in den 1930er Jahren einen eher schlecht laufenden Laden für Farben, Lacke und Autopflegemittel. Eines Abends soll er spontan ein Laken in den Bäumen vor seinem Haus gespannt und mittels eines Projektors auf seinem Autodach einen Film darauf projiziert haben. Er experimentierte so lange mit Bild- und Tonqualität, bis er seine Erfindung schließlich patentieren ließ.
An einer Schnellstraße im Viertel Pennsauken eröffnete er dann am 6. Juni 1933 das weltweit erste Autokino mit rund 400 Plätzen. „Die ganze Familie ist willkommen, egal wie laut ihre Kinder sind“, soll damals sein Werbespruch gewesen sein. Der erste Film, die Romantik-Schmonzette „Wife Beware“, ging anders als das neuartige Kino allerdings nicht in die Geschichte ein.
Doch Hollingsheads Autokino musste bald wieder schließen. Zu heftig hatten sich Anwohner über den Lärm beschwert, denn der Ton kam zunächst noch aus einer Lautsprecheranlage. Aber die Idee eines befahrbaren Kinos war geboren und wurde in den USA rasch dutzendfach kopiert. Aus den Zentrallautsprechern wurden kleine, die einfach ins Autofenster gehängt werden konnten. Inzwischen kommt der Ton meist über eine UKW-Frequenz aus dem Autoradio.
„Hier in Camden denkt man noch sehr gerne an dieses Autokino zurück“, erzählt Vincent Basara aus der Stadtverwaltung. „Es ist eine schöne Episode unserer Stadtgeschichte. An der Stelle, wo es einmal war, hängt heute eine Gedenkplakette.“ Aber die Nachmieter hatten ebenso wenig Glück wie Autokino-Betreiber Hollingshead. „Lange Jahre stand dort ein Baumarkt, und Weihnachtsbäume wurden auch verkauft. Aber der Baumarkt ist pleitegegangen. Im Moment bauen wir das Gelände um, es soll zu einem Markt für landwirtschaftliche Produkte aus der Region werden, mit mehr als 100 Ständen.“
Als romantischer Ort für Verliebte, Familien und Filmfanatiker zugleich blieb das Autokino in der Theorie immer eine großartige Idee - die Praxis zeigte allerdings deutliche Mängel auf: Tagsüber, im Winter und bei sehr schlechtem Wetter sind Filmvorführungen praktisch unmöglich. Zudem braucht ein Autokino eine extrem große Fläche. Und weil die Besucher sich meist ihre eigene Verpflegung mitbringen können, verdienen die Betreiber auch an Popcorn und Cola wenig.
In Deutschland - weit weniger auf Drive-Through eingerichtet als die USA - konnte sich das Autokino, außer bei einer eingeschworenen Fangemeinde, nie richtig durchsetzen. Schon bei einer allerersten Probevorführung Anfang der 50er Jahre kam das Konzept nicht richtig an: Die Besucher stiegen einfach aus ihren Autos aus und verfolgten den Film von der Wiese aus.