Wenn das Schnauferl streikt - Oldtimer-Fans auf Ersatzteiljagd
München/Köln (dpa/tmn) - Wirtschaftsexperten spekulieren gern, Oldtimer seien eine Geldanlage. Damit sie es bleiben, sind gelegentlich Zusatzinvestitionen in Ersatzteile fällig. Deren Beschaffung artet manchmal zu einer Odyssee aus - doch die Lage ist nicht hoffnungslos.
Der Motor läuft nicht rund, und die Lichtmaschine ist defekt. Ganz zu schweigen von dem durchgerosteten Kotflügel. Am besten weg mit dem alten Teil, ein neues muss her. So stellen sich häufig die Alltagsprobleme eines Young- oder Oldtimerbesitzers dar. Karosseriebleche und Ausstattungsteile für die Generation Ü30 von Autos und Motorrädern zu besorgen, ist eine große Herausforderung.
Im Internet finden sich neben zahlreichen Fan-Foren oft auf den gängigen Autoteile-Portalen auch für Oldtimer passende Ersatzteile. Die Anbieter sind zumeist Zwischenhändler für spezialisierte Lieferanten. Aber sie sind nicht immer die beste Quelle, wie Hobby-Restaurator und Sachbuchautor Heinrich Niemeier berichtet: „Im letzten Jahr habe ich dreimal einen Bremssattel über Online-Portale bestellt, und er konnte nie geliefert werden.“ Ist ein Teil einmal im System erfasst, wird es zwar auf dem entsprechenden Portal angezeigt, aber nicht zwingend als Lagerware geführt, erfuhr er auf Nachfrage.
Bei Teilen für Fahrzeuge nicht mehr existenter Marken verspricht die Offline-Suche oft mehr Erfolg: Zeitschriften wie „Oldtimer Markt“ und „Oldtimer Praxis“, „Auto Bild Klassik“ oder „Motor Klassik“ geben Aufschluss über Reparaturmöglichkeiten exotischer wie gängiger Modelle und bieten Teilebörsen für Ersatzteil-Selbstversorger.
Viele Teile sind auch über die Automobilhersteller zu bekommen. Volkswagen Classic Parts lagert nach eigenen Angaben bis zu 60 000 Originalteile, Porsche Classic rund 35 000 und Opel Classic Parts über 19 000. Ebenso verlässliche Anlaufstelle für Ratsuchende sind Marken-Clubs, von denen manche eigene Ersatzteillager betreiben.
Mehr als 300 Oldtimer-, Youngtimer- und Marken-Clubs verzeichnet allein der ADAC und verweist auf deren Experten. „Die Liebhaber einer bestimmten Baureihe wissen oft ganz genau, wo was am günstigsten zu bekommen ist,“ empfiehlt Johann König von der ADAC Oldtimer-Sektion. „Die jeweiligen Typreferenten klären die wichtigen Fragen vorab: Gibt es noch Originalteile bei Hobbybastlern, gibt es das gesuchte als Neuteil oder baut es jemand nach?“
Günter Lehmann ist Ersatzteilspezialist beim Verein Mercedes-Benz Interessen-Gemeinschaft (MBIG). „Über die 50 000 lieferbaren Originalersatzteile von Mercedes-Benz Classic hinaus können wir noch auf rund 3000 weitere verweisen, die in den offiziellen Mercedes-Preislisten nicht mehr geführt werden“, berichtet er. „Unsere Messlatte ist die Qualität der Originalbaujahre.“ Bei heutigen Nachfertigungen werde die leider häufig nicht erreicht.
Die Qualitätsunterschiede zwischen originalen und nachgefertigten Teilen machen sich in Materialbeschaffenheit, Oberflächengüte und vor allem bei der Passgenauigkeit bemerkbar. Sachverständige des Gutachter-Netzwerks Classic Data oder von Prüfstellen wie Dekra oder TÜV wissen um die Problematik. „Repro-Teile aus asiatischen Ländern sind zwar günstiger, haben aber oft eine geringere Haltbarkeit oder Belastbarkeit“, erläutert Norbert Schroeder vom TÜV Rheinland.
Ist ein Stück überhaupt nicht mehr aufzutreiben, wissen sich Experten trotzdem zu helfen und produzieren im Notfall selbst. „Einen Differentialbolzen für die Hinterachsüberholung des Mercedes W 112 gibt's nicht - den muss ich eben anfertigen“, sagt Günter Lehmann. Manuell hergestellte Teile sind meist viel teurer als Industrieware.
Finden sich gleich mehrere Anbieter eines Teils, können die Preisunterschiede immens sein. Auf Märkten und Messen Angebote zu vergleichen, ist daher für jeden Hobbyschrauber eine sportliche Herausforderung. Knatternde Motoren, ölgetränkte Kisten mit Altmetall und Benzingespräche am Imbissstand machen die Recherche zum Erlebnis.
Etwa auf der Messe Veterama (16./17. März): „Was Sie auf der Veterama nicht finden, brauchen Sie nicht“, sagt Winfried A. Seidel, einer der Gründerväter, über Europas größten Oldtimer-Teilemarkt in Mannheim und in diesem Jahr erstmals auf dem Hockenheimring. Mittlerweile müssen Besucher 26 Kilometer Wegstrecke in Kauf nehmen, wenn sie die Stände aller 4000 Aussteller ablaufen wollen. Die gezielte Suche ist auch dort sicher nicht einfach. Aber was wäre das rostigste Hobby der Welt ohne diese unterhaltsame und kommunikative Beschäftigung?