Zu Unrecht geblitzt? Einspruch kann sich lohnen
Oldenburg (dpa/tmn) - Ein Blitzerfoto kann schnell teuer werden. Autofahrer müssen solche Bußgelder aber nicht einfach schlucken. Denn auch die Beamten mit ihren Messinstrumenten machen Fehler. Ein Einspruch kann auch Wirkung haben.
Ein Bußgeldbescheid im Briefkasten bedeutet immer Ärger. Nicht nur, dass Autofahrer blechen müssen - unter Umständen kassieren sie auch noch Punkte in Flensburg. Noch ärgerlicher aber ist es, wenn der Fahrzeughalter zu Unrecht beschuldigt wird. „Nicht alles, was die Bußgeldbehörden und Messbeamten produzieren, ist auch wirklich rechtens. Vieles ist auch zweifelhaft oder kann zumindest in einem anderen Licht betrachtet werden“, sagt Frank-Roland Hillmann, Referent beim Deutschen Verkehrsgerichtstag. Nicht einfach schlucken, ist daher sein Credo.
Der Jurist aus Oldenburg schätzt, dass etwa 10 bis 15 Prozent der Bußgeldbescheide zum Beispiel wegen falscher Messungen zu Unrecht ausgestellt werden. Von ähnlichen Werten geht der Verkehrsrechtsanwalt Christian Demuth aus Düsseldorf aus. Am höchsten ist die Fehlerwahrscheinlichkeit seiner Ansicht nach bei der Lasermessung. „Weil da der menschliche Faktor so eine große Rolle spielt. Die Geräte müssen ja anständig bedient werden.“ Bei der klassischen Laserpistole könnten zum Beispiel andere Objekte zwischen Pistole und Fahrzeug den Messwert verfälschen.
Anfällig für Fehlmessungen ist auch das „Poliscan Speed“-Verfahren. Das Problem der kleinen Türmchen am Fahrbahnrand: „Die Messung wird bis zu 50 Meter vor dem Foto gemacht. Auf diesen 50 Metern kann viel passieren“, gibt Hillmann zu bedenken. Oft komme es zum Beispiel vor, dass ein anderes Auto dazwischen gerate und das eigene Fahrzeug verdecke. Zu den klassischen Fehlbeschuldigungen zählen auch die undeutlichen Blitzerfotos. „Wir haben in Deutschland keine Halterhaftung, sondern eine Fahrerverantwortlichkeit“, erläutert Demuth. Ist der Halter auf dem Foto nicht zu erkennen, müsse er auch nicht zahlen. Zwei Wochen haben Autofahrer nach der Zustellung des Bußgeldbescheides Zeit, um Einspruch einzulegen.
Allerdings gelte dabei stets die Beweislastumkehr, erklärt Demuth. „Das Gericht geht immer erst mal davon aus, dass die Angaben der Bußgeldstelle richtig sind.“ Der Betroffene müsse sich entlasten. Dazu brauche er in der Regel einen Anwalt, sagt Jost Kärger vom ADAC. Unter Umständen sei für die Entlastung sogar das Gutachten eines Sachverständigen notwendig.
So könne manchmal nur ein Anthropologe beweisen, dass das Blitzerfoto nicht den Angeschriebenen zeigt. „Bei Sachverständigengutachten sollte man die Kosten nicht unterschätzen“, warnt der Experte. „Wenn Sie sich 150 Euro Bußgeld sparen, aber 4000 Euro für den Sachverständigen bezahlen müssen, sollten Sie sich das gut überlegen.“ Daher mache der Einspruch meistens nur dann Sinn, wenn der Betroffene rechtsschutzversichert sei.
Aber so weit muss es nach Hillmanns Ansicht gar nicht erst kommen. Nicht zu unterschätzen sei nämlich die Zeit, die einem ein Einspruch verschaffen kann. Wie das? Hillmann gibt ein Beispiel: Ein Autofahrer steht kurz davor, wegen der Löschfrist automatisch 4 von seinen 11 Punkten in Flensburg zu verlieren. Plötzlich drohen ihm wegen zu schnellen Fahrens 3 weitere Punkte - noch bevor er die 4 alten verliert. In diesem Fall müsste er wegen insgesamt 14 Punkten zum Aufbauseminar. Was er also braucht, ist Zeit, damit die 3 neuen Punkte erst dann dazukommen, wenn er nicht mehr 11, sondern nur noch 7 auf dem Konto hat. Und diesen Zeitpuffer verschafft ihm der Einspruch.
Ein anderer Fall, in dem der Einspruch wertvolle Zeit verschaffe, sei das drohende Fahrverbot. Höchstens vier Monate lang kann der Fahrer das verordnete Fahrverbot aufschieben. Hillmanns Beispiel: Ein Autofahrer braucht seinen Wagen innerhalb der nächsten vier Monate dringend, könne aber in sechs Monaten problemlos darauf verzichten. Mit einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ließen sich die rettenden Monate rausholen.
„Mit einem Einspruch hat man immer eine zweite Chance“, sagt Hillmann. Denn die Bußgeldstellen hätten keinen großen Ermessensspielraum, das Gericht dagegen schon. „Der Richter kann gnädig sein oder milde.“ Oder er lasse mit sich handeln, etwa indem er das Bußgeld erhöhe und dafür auf das Fahrverbot verzichte.