Integration Wie Plätzchenbacken bei der Integration hilft

Barmen · Das „Projekt 75 Familien Plus“ spricht Menschen mit Hartz-IV und Asylbewerber an.

Marie, Michaela Grau und Jonathan (v.l.) backen gemeinsam Kekse.

Marie, Michaela Grau und Jonathan (v.l.) backen gemeinsam Kekse.

Foto: Fischer, Andreas (f22)

. Oben unterm Dach der Johannes-Rau-Förderschule in der Barmer Kreuzstraße herrschte jüngst fröhliches Wirken in der Weihnachtsbäckerei. Das „Projekt 75 Familien Plus“ - gefördert aus dem ESF, dem europäischen Sozialfonds - hatte nämlich zum lustigen „Weihnachtskekse backen“ in die Küche der Schule eingeladen, und einige Mütter waren mit ihren Kindern der freundlichen Einladung gefolgt. Eifrig waren alle dabei, „Engelsaugen“ und Spritzgebäck in allen möglichen Varianten zu formen und dann in den Backofen zu schieben. Und natürlich später das Werk der eigenen Hände zu kosten.
In die kleinen Teig-Häufchen stieß der zwei Jahre alte Pascal auf dem Schoß seiner Mutter Susanne mit dem Stiel eines Kochlöffels sichtlich begeistert die nötigen Vertiefungen, in die später nach dem Backen die acht Jahre alte Stella Erdbeer- oder Kirsch-Marmelade wohl dosiert einfüllte. „Wie kann man feststellen, ob es schmeckt?“, fragte Sozialarbeiterin Tanja Helpenstein aus dem Projekt den kleinen Wuschelkopf, und der wusste natürlich die Antwort: „Essen“, was dann auch geschah, und einige der leckeren Engelsaugen rutschten problemlos in Stellas Magen.

„Uns gibt es seit Juli 2017, und wir verfolgen auch sogenannte Mikro-Projekte, indem wir gemeinsam Spielplätze besuchen, mal in die Bücherei gehen und den Kindern das lesen näher bringen. Wir veranstalten Picknicks und haben hier im Viertel auch etliche Kooperationspartner wie unseren Gastgeber, die Johannes-Rau-Förderschule und Kindergärten sowie das Job-Center, auf dessen Hilfe wir zählen können“, berichtet Dagmar Reinhold, Familienhebamme und Mitglied des siebenköpfigen Projekt-Teams, dem eine weitere Hebamme, vier Sozialarbeiterinnen – davon ein Mann – und eine Kinderkrankenschwester angehören.

Die Klientel im Wichlinghauser Quartier ist international, und Voraussetzung, um in das Projekt Familien Plus aufgenommen zu werden, ist der Bezug von Leistungen aus „Hartz 4.“ „Zu den von uns betreuten Familien gehören aber auch Asylbewerber ohne dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung und Menschen, die Grundsicherung beziehen“, erklärt Dagmar Reinhold. „Wir bemerken, dass bei den ausländischen Familien große Bereitschaft herrscht, die deutsche Sprache zu erlernen, und wir stellen überhaupt fest, dass unsere Arbeit auf fruchtbaren Boden fällt“, ist die übereinstimmende Meinung auch der übrigen Kolleginnen des Projekts wie Diana Wiemers, Birgit Gayko oder Stefanie Bernbeck und des türkischen Kollegen Dogan Arslan.

Zwischenzeitlich drückte Sude (13) mit Vehemenz den Teig für das Spritzgebäck in den Wolf, dessen Kurbel eine Mutter mit Elan drehte und dann die zukünftigen Plätzchen auf einem Backblech anordnete. Man sah allen an, dass das gemeinsame Backen Spaß machte, auch wenn ruhig ein paar Menschen mehr aus dem Quartier Wichlinghausen dieser Einladung hätten folgen können. „Ja, es ist nicht einfach, die Menschen aus dem Projekt zu eigenen Aktivitäten zu animieren. Wir haben alle Familien angesprochen und eingeladen“, so Reinhold.

Das Projekt bringt Kindern
auch das Lesen näher

Voll des Lobes über das „Projekt 75 Familien Plus“ ist Mutter Michaela Grau, die sich mit ihren drei Kindern voll ins Backgetümmel gestürzt hat und in deren Gesicht mehlige Spuren ihrer Back-Aktivitäten zu sehen sind. „Wir erfahren sehr viel Hilfe bei allen möglichen Problemen“, lobt sie die Mitglieder der Initiative und betont, dass die Hilfe sich natürlich nicht auf das gemeinsame Plätzchen backen beschränkt.