Blackberry-Chef: „Ich habe einen verdammt langen Atem“
Köln (dpa) - Der einstige Siemens-Manager Thorsten Heins hat vor einem Jahr einen der härtesten Jobs in der IT-Branche übernommen - den Chefposten beim angeschlagenen Smartphone-Pionier Blackberry.
Zum Start des neuen Betriebssystems Blackberry 10 sprach Heins (55) mit der Nachrichtenagentur dpa über seine Pläne, die vielen Zweifel an der Zukunft des Unternehmens und was Blackberry von Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel lernen kann.
Herr Heins, auch während Blackberry die neuen Geräte auf den Markt bringt, schlägt ihnen viel Skepsis entgegen. Was antworten Sie auf die Zweifel?
Heins: „Das höre ich nun schon seit einem Jahr, dass Blackberry es nicht schaffen wird. Ich glaube, wir haben inzwischen bewiesen, dass wir die Firma vernünftig managen können. Wir haben ein neues Führungsteam aufgestellt, eine neue Plattform auf den Markt gebracht und sind vernünftig mit dem Geld umgegangen. Genauso werden wir die Skeptiker überzeugen, die sagen, dass Blackberry heute keine wichtige Plattform mehr ist.“
Viele sehen Microsoft mit Windows Phone im Vorteil im Rennen um den dritten Platz auf dem Smartphone-Markt nach Googles Handy-Software Android und Apples iPhones.
Heins: „Ich finde die Frage gar nicht so wichtig, wer die Nummer drei, vier oder zwei ist. Die Frage ist für mich: Kann ich Kunden gewinnen, bei denen für Blackberry Platz ist, so dass ich eine Firma wirtschaftlich sinnvoll führen kann. Und da sind für mit Blackberry 10 ziemlich gut unterwegs, finde ich. Bei Android ist das Problem für die Anbieter: Wie unterscheide ich mich von den anderen? Samsung hat den Android-Markt praktisch monopolisiert. Es ist gar nicht so sehr ein Rennen von Plattformen - es gibt Samsung mit Android, Apple mit seinem iPhone-System iOS und dann eben noch ein paar andere.“
Im Moment aber beherrscht das Google-System Android den Markt, der Marktanteil von Blackberry ist drastisch gefallen. Wie wollen sie es schaffen, die Marke wieder in die Köpfe der Menschen zu kriegen?
Heins: „Da muss man nun wirklich differenzieren: In Deutschland ist zum Beispiel unser Unternehmenskunden-Geschäft sehr stark und bei Verbrauchern sind wir nicht so stark aufgestellt. In Großbritannien ist es umgekehrt. In Südamerika läuft das Verbrauchergeschäft gut. Wir wollen nicht nur Geschäftsleute überzeugen, sondern auch vernetzt lebende Verbraucher. Umfragen zeigen, dass auch die Marke noch durchaus in den Köpfen präsent ist. In den USA allerdings, da haben wir Marktanteile verloren. Weil wir bei LTE spät dran waren und auch bei Touchscreen-Geräten. Wir werden eine sehr intensive Marketing-Kampagne fahren, um dort Marktanteile zurückzugewinnen.“
Es ist absehbar, dass der nächste große Schub im Smartphone-Markt aus den Schwellenländern kommen wird. Und da sind im Moment günstige Android-Geräte besonders gefragt. Was wollen Sie dem entgegensetzen?
Heins: „Ich glaube, es ist wichtig, dass wir ein differenziertes Angebot haben müssen in Ländern wie China. Das heißt: Nicht der Billigheimer sein, nicht in dem Markt für 150-Dollar-Smartphones konkurrieren. Viele wissen nicht, dass China laut Prognosen bald das Land mit dem weltgrößten Luxusartikel-Markt sein wird. Es ist also durchaus eine Kundschaft da, der man teurere Geräte verkaufen kann. Wir werden aber auch für diese Länder ein Portfolio entwickeln - ein mittleres Segment und dann auch ein Einsteiger-Segment.“
Sie sprechen von einer Zukunft, in der ihre Smartphones Bürocomputer ersetzen, in der Autos oder Züge Blackberry 10 als Plattform nutzen. Wie viel Zeit haben Sie dafür?
Heins: „Also zunächst wollen wir mit Blackberry 10 erfolgreich sein. Und die ersten Reaktionen, die wir aus Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Südafrika oder Kanada kriegen, sind vielversprechend. Die Nachfrage ist recht hoch. Und diese nächsten Stränge für das mobile Computing, die baut man auch nicht in sechs Monaten auf. In zehn Jahren werden wir aber zurückblicken und sagen: Dieses kleine Gerät, das war einmal mein Smartphone und ist jetzt mein persönlicher Computer. Und wir fangen ja nicht von Null an, Unser System QNX ist in 64 Prozent aller Autos vertreten. In den Gesundheitsbereich werden wir mit Partnerschaften reingehen.“
Liegt ihr Schwerpunkt nun auf Unternehmen oder Verbrauchern als Zielgruppe?
Heins: „Ich weiß nicht, wieso das so oft als ein entweder/oder dargestellt wird. Wir wollen sie beide haben. Zum Beispiel sind Mitarbeiter von Unternehmen ja auch Verbraucher. Ich sehe oft genug, wie Leute zwei Telefone aus der Tasche holen - eins für die Arbeit, eins privat. Mit Blackberry 10 packen wir diese zwei Geräte in eines. Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, einfach zwischen diesen beiden Welten zu wechseln und zugleich die Sicherheit von Firmendaten nicht zu gefährden.“
Wie wichtig ist für Sie die Unterstützung der Mobilfunk-Anbieter, um die Wende mit Blackberry zu schaffen?
Heins: „Die Mobilfunk-Anbieter sehen heute ein Duopol aus Samsung und Apple und das mögen die überhaupt nicht, weil es deren Auswahl beschränkt - und auch die Auswahl, die sie Unternehmen und Verbrauchern bieten können. Sie suchen nach Alternativen. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir eine eigene Plattform entwickelt haben. Die Unterstützung der Netzbetreiber ist immens, sie vertrauen auf uns, wie die aktuellen Bestellungen zeigen. Schauen wir mal, wie das ausgeht zwischen uns und Windows Phone mit Nokia. Unser Vorteil ist aber die Basis von 79 Millionen Nutzern. Sie bringt den Netzbetreibern Geld und sie wollen sie nicht verlieren.“
Aber ist Ihr Atem lang genug?
Heins: „Ich habe einen verdammt langen Atem. Das vergangene Jahr war eine wirklich harte Zeit. Wir mussten 5000 Leute rausnehmen - nicht weil wir das gerne gemacht haben, sondern es musste einfach passieren. Doch jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir nach vorne sehen können. Jetzt haben wir etwas in der Hand. Ich sage meinen Leuten immer: Die Markteinführung von Blackberry 10, das war nicht die Ziellinie, sondern erst der Startschuss. Jetzt geht das Rennen erst richtig los. Jetzt sind wir wieder wer. Den langen Atem habe ich also im vergangenen Jahr gebraucht. Jetzt fängt der Spaß an.“
Gab es im vergangenen Jahr Momente, wo Sie am liebsten aufgegeben hätten?
Heins: „Also es gab schon Momente, wo es sehr hart war. Die Medien sind wie sie sind. Und wir haben ja auch Grund zur berechtigten Kritik gegeben - mit der Verschiebung von Terminen oder mit Produkten, die man vielleicht hätte reifen lassen müssen. Es gab eine Zeit, da wurden Artikel über uns mit Grabsteinen oder Särgen illustriert. Das hat mich dann gar nicht so persönlich getroffen, sondern wegen meiner Leute. Denn sie sehen das, die Familien sehen das, die Freunde. Solche Momente, wo es schnell unter die Gürtellinie gegangen ist, die fand ich dann richtig tough.“
Wie sind die Medien mit einem deutschen Chef bei einem Industriepionier umgegangen?
Heins: „Ich bin auch persönlich unglaublich angegriffen worden in der ersten Zeit: Ein deutscher Nobody an der Firmenspitze, wer ist denn das überhaupt und was kann denn der? Und wir haben die beste Antwort gegeben, indem wir unsere Arbeit gemacht haben. Wenn man im Fußball in der 60. Minute 2:0 zurückliegt, muss man schließlich auch weiterspielen.
Oder nehmen Sie Sebastian Vettel. Das hat mich wirklich beeindruckt, weil es auch zu unserer Situation passt: Entscheidendes Rennen, gleich am Anfang ein Unfall, er steht gegen die Fahrtrichtung. Und was macht der Junge? Er dreht die Mühle um und holt sich den Titel. So geht das - man gibt einfach nicht auf. Und das haben wir auch nicht. Und ich denke, wir haben uns den Anspruch erkämpft, ein ernstzunehmender Teilnehmer im Markt der Smartphones und mobilen Computer zu sein.“