„Chromebooks“: Google wirbt um Microsoft-Kunden
San Francisco (dpa) - Google will den Rechner neu erfinden. Nach Jahren Entwicklungszeit ist es nun soweit: die ersten Web-Notebooks mit Chrome OS sollen in knapp vier Wochen auf den Markt kommen - und den angestammten Marktführer Microsoft vom Thron stoßen.
Und die Zielrichtung gibt Google-Mitbegründer Sergey Brin unverblümt vor: „Windows ist kein schlechtes System“, sagte Brin am Mittwoch auf der Entwicklerkonferenz I/O in San Francisco. „Aber die Komplexität des Managements des Systems foltert die Anwender. Es ist ein fehlerhaftes Modell. Chromebooks stellen das neue Modell dar.“
Erste Chromebooks wird es von Samsung und Acer geben. Die verschiedenen Modelle werden ab dem 15. Juni verfügbar sein, kündigte Google-Manager Sundar Pichai an. Als Vertriebspartner wurden der Onlinehändler Amazon sowie die Mobilfunk-Provider Telefónica und E-Plus genannt.
Das Google-Betriebssystem Chrome OS ist speziell für die Web-Nutzung ausgelegt. Dateien und Programme werden aus dem Netz geladen und dort gespeichert. Als Programme für die Bürokommunikation stehen unter anderem Google Docs zur Verfügung. In Kürze sollen Googles Kalender, Google Mail und Google Docs allerdings auch offline funktionieren, kündigte Pichai an. Zudem würden Chrome-Notebooks mit der Zeit immer schneller, weil Verbesserungen und Updates automatisch online installiert werden könnten, erklärte Pichai.
Mit speziellen Abo-Modellen zielt Google bei seinen Chromebooks vor allem auf Geschäftskunden und Studenten. In vielen Unternehmen werde immer noch das zehn Jahre alte Microsoft-Betriebssystem Windows XP eingesetzt, sagte Pichai. 75 Prozent der XP-Anwender könnten sofort auf ein Chromebook umsteigen und ihre gängigen Anwendungen nutzen. Microsoft hatte erst vor rund anderthalb Jahren mit seinem Windows 7 das weithin unbeliebte Windows Vista abgelöst. Unternehmen lassen sich allerdings häufig Zeit bei der Aktualisierung eines lauffähigen Systems auf eine neuere Version, deshalbist noch immer der Vista-Vorgänger XP in vielen Häusern im Einsatz.
Für Unternehmen bietet Google die Chromebooks auch in einem Leasingmodell an. Ein „Chromebook for business“ kostet in den USA 28 Dollar im Monat bei einer dreijährigen Vertragslaufzeit. Studenten sollen ein Chrombook für 20 Dollar im Monat erhalten. Nach Ablauf des Leasingvertrags soll der Rechner automatisch durch ein aktuelles Modell ersetzt werden.
Die Chromebooks von Samsung und Acer sollen in den USA und sechs europäischen Ländern - darunter auch Deutschland - im freien Verkauf zu Preisen von 350 bis 500 Dollar angeboten werden. Samsung bringt sein Google-Laptop mit 12,1 Zoll Displaygröße in zwei Versionen mit Wifi und alternativ mit 3G-Verbindung ins schnelle Mobilfunknetz heraus.
Mit der Kombination von Chrome OS und den Office-Anwendungen Google Apps dringt der weltgrößte Internetkonzern frontal in das Kerngeschäft des weltgrößten Softwareherstellers Microsoft ein. Für das erste Chromebook-Pilot-Programm habe Google bereits eine Million Bewerbungen bekommen. Mit Chrome OS werde das lange Starten des Computers endgültig der Vergangenheit angehören, erklärte Pichai. Samsungs Chromebook etwa brauche für das Booten lediglich noch acht Sekunden.
Auch den Browser Chrome hat Google deutlich aufgefrischt und konkurrenzfähig gebürstet. Bis heute sei der Browser insgesamt 160 Millionen Mal installiert worden, sagte Pichai. Damit habe sich die Nutzung im Vergleich zum letzten Jahr noch einmal verdoppelt.
Mit Chrome tritt Google ebenfalls gegen Microsoft und dessen Internet Explorer an. Google sei mit Chrome in der Browserentwicklung weit voraus gewesen. Inzwischen würden zum Beispiel alle modernen Browser den Standard HTML 5 unterstützen. Microsoft hatte seine neue Version 9 des Internet Explorers mit vielen Neuerungen erst vor knapp zwei Monaten an den Start gebracht. Chrome und der Firefox machen dem einstigen Marktführer allerdings zunehmend Konkurrenz.
Für Entwickler biete die aktuelle Version 11 von Chrome eine Menge an neuen Möglichkeiten und Funktionen. Google-Mitarbeiter Ian Ellison-Taylor demonstrierte zum Beispiel, wie einfach es ist, die Steuerung über Sprache in eine Web-Anwendung zu integrieren. Bis zu hundert neue Features werden in der nächsten Version folgen, kündigte Ellison-Taylor an. Über den Web Store bietet Google inzwischen 70 Millionen Anwendungen in 41 Sprachen an.
Mit einigen Neuheiten fordert Google auch seinen Rivalen Apple direkt heraus. Für Googles Web Store könnten Entwickler in ihre Anwendungen mit einer einzigen Code-Zeile eine individuelle und reibungslose Bezahlung von Zusatzfunktionen anbieten. Google will von den Einnahmen Chromes OS App Store lediglich fünf Prozent für sich behalten - Apple behält von den Umsätzen der Entwickler in seinen beiden Stores 30 Prozent. Im Android Marketplace für Smartphone-Anwendungen verlangt Google jedoch auch 30 Prozent.