Feature: Maschinen reden mit Maschinen

Barcelona (dpa) - Maschinen unterhalten sich mit Maschinen: Der Mobile World Congress entwirft eine Zukunft, die schon Science-Fiction-Autoren des 20. Jahrhunderts beschrieben haben.

Bis 2020 werde es 50 Milliarden vernetzte Geräte geben, sagt der Vorstandschef des schwedischen Telekommunikationsausrüsters Ericsson, Hans Vestberg am Montag in Barcelona. Er denkt dabei längst nicht mehr an Handys, sondern an Industriemaschinen, Verkaufsautomaten am Bahnsteig, Autos oder medizinische Geräte. Diese sollen mit Chips und Sim-Karten so „intelligent“ gemacht werden, dass sie ihre Daten automatisch an andere Geräte weiterleiten.

M2M heißt das Schlagwort für diese Kommunikation von „Machine to Machine“. Die Telekommunikationsbranche wittert hier ein lukratives Geschäft: Vestberg spricht von einem jährlichen globalen Marktvolumen von mehr als 200 Milliarden Dollar.

„Technisch ist das kein Flug zum Mond“, sagt Jürgen Hase vom M2M-Kompetenzzentrum der Deutschen Telekom im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Wir verbinden verfügbare Techniken und erzeugen so einen Mehrwert für unsere Kunden.“ Das Internet der Dinge werde weitaus größer sein als die Zahl von Smartphones. „Wir werden das alle in den nächsten zehn Jahren erleben“, sagt Hase. „Für unsere Kinder wird das dann schon ganz vertraut sein.“

Wie sieht das konkret aus? Hase nennt als Beispiel die Notfallhilfe bei einem Autounfall. „Wenn Sie mit dem Auto gegen einen Baum fahren sollten, wird automatisch ein Krankenwagen gerufen und die Zahl der mitfahrenden Personen übermittelt.“ Das Netzwerk werde bei solchen M2M-Lösungen eine zentrale Rolle spielen. „Und die Telekommunikationsprovider bieten sich als diejenigen an, die in der Mitte alles managen.“

Auch Vodafone hat das Auto im Blick: M2M sei eine „fantastische Sache“, schwärmt Vorstandschef Vittorio Colao. Der britische Konzern führe dazu gerade Gespräche mit einer großen Versicherung. Das Auto könnte mit Hilfe von M2M die Fahrweise überwachen, die Daten an die Versicherung übermitteln und die Tarife automatisch daran anpassen.

Hersteller von Netztechnik wie Ericsson sind in dieser Entwicklung längst nicht nur die Lieferanten von Hardware, über die man sich nur bedingt beim Kunden profilieren kann. Gefragt sind Zusatzleistungen: In der Branche wird beispielsweise intensiv über „Software-Defined Networks“ diskutiert, über Netze, die intelligent auf unterschiedliche Anforderungen reagieren und zum Beispiel häufig gewünschte Daten wie einen bestimmten Kinofilm in einem Zwischenspeicher (Cache) im Netzwerk bereithalten.

„Die Netzwerk-Branche befindet sich an einem Wendepunkt“, sagt in Barcelona der Vorstandschef des Router-Spezialisten Juniper, Kevin Johnson. „Wir sind intensiv dabei, Dienste in die Netze einzubauen, die unseren Kunden das Leben leichter machen.“ Dazu gehöre auch eine bessere Absicherung gegen Attacken auf den Datenverkehr. „Wenn das nicht sicher ist, werden die Risiken eine Barriere für die Nutzung von Cloud und mobilem Internet darstellen.“ Rami Rahim, der strategische Kopf bei Juniper, will die Netztechnik mit Software-Schnittstellen (APIs) ausstatten, damit etwa die Analyse großer Datenmengen („Big Data“) schneller auf Daten im Netz zugreifen kann.

Eine zentrale Rolle haben die Netzbetreiber auch in einer Partnerschaft, die Ericsson jetzt mit dem deutschen Software-Konzern SAP eingegangen ist. Beide bringen ihre M2M-Lösungen in der Cloud, also dezentral über das Netz organisiert, zusammen und bieten sie den Netzbetreibern an. Diese können die schlüsselfertigen Angebote ihren Firmenkunden vorlegen. „Wir stellen das dann je nach Nutzung den Mobilfunkunternehmen in Rechnung“, erklärt Ericsson-Vorstandsmitglied Douglas Gilstrap im dpa-Gespräch. Ericsson und SAP hätten dafür jeweils unterschiedliche Preismodelle.

SAP verbindet die M2M-Lösungen mit seiner schnellen Datenbank-Technik Hana, die große Mengen von Informationen gleich im Arbeitsspeicher des Computers bereit hält. „So können die Daten in Echtzeit analysiert und für sekundenschnelle Entscheidungen genutzt werden“, erklärt der M2M-Manager von SAP, Suhas Uliyar. „Da kann zum Beispiel bei ungewöhnlichen Daten Alarm geschlagen werden. Ein Algorithmus löst dann die gewünschten Entscheidungen aus.“

Hat dann der Mensch überhaupt noch etwas zu sagen? „Es sind immer noch Menschen, die die Kontrolle über die Algorithmen haben“, antwortet Ericsson-Stratege Gilstrap, dreht die Frage aber gleich um: „Wir sollten vor allem sehen, welche riesigen Vorteile die Technik bietet, allein schon im Gesundheitswesen.“ Deutsche-Telekom-Manager Hase räumt aber auch ein, dass es bei Nutzung von „Big Data“ eine große Verantwortung gebe: „Ich muss mit diesen Dingen vernünftig umgehen, nicht um jeden Preis alles machen, was möglich ist.“