Jugendschützer warnen vor Online-Hasspropaganda
Berlin (dpa) - Wenn Rechtsextreme heute Jugendliche ködern, sind dabei selten Hakenkreuze zu sehen. Wie subtil sie vorgehen, zeigt ein aktuelles Video der Autonomen Nationalisten, das auch auf YouTube kursierte.
Zu sehen ist ein Zug von schwarzgekleideten Fackelträgern, der mit weißen Masken durch dunkle Straßen zieht. Dramatische Musik begleitet die wackligen Bilder. „Damit die Nachwelt nicht vergisst, dass Du Deutscher gewesen bist“, wird am Ende eingeblendet - und ein Link zur Internet-Präsenz der Rechtsextremen.
Diese Art von Propaganda stellt Jugendschützer vor arge Probleme. Denn sie holt Jugendliche da ab, wo sie am meisten Zeit verbringen - im Netz. Sie setzt nicht allein auf stumpfe Parolen, sondern auf Emotionen. Und sie lässt sich nicht einfach verbieten. Denn solange verfassungsfeindliche Symbole und Parolen nicht vorkommen, greift die Meinungsfreiheit. Jugendschützer haben daher am Donnerstag Anbieter wie Facebook und YouTube aufgefordert, auch gegen subtile Werbung der Extremisten härter vorzugehen.
Die Plattformen des Mitmach-Internets seien besonders geeignet, um Jugendliche zu rekrutieren, warnte Martin Ziegenhagen, Projektleiter der Online-Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus. Nicht zuletzt wegen ihrer großen Reichweite. Das geschehe oft sehr subtil. Es gehe häufig um aktuelle Themen wie Atomausstieg oder Facebook-Partys. „Die harte Ideologie wird später geliefert, wenn man die Jugendlichen am Haken hat.“
Jugendschutz.net hat im vergangenen Jahr rund 6000 rechtsextreme Beiträge im Web dokumentiert, drei Mal so viele wie im Vorjahr. Das geht aus dem Jahresbericht hervor, den die Organisation kürzlich vorgestellt hat. Sie arbeitet im Auftrag der Bundesländer für die Einhaltung des Jugendschutzes im Internet.
„Die Rechtsextremen setzen voll auf die mediale Wirkung von Musik und Videos“, sagt Stefan Glaser von Jugenschutz.net. Die Bilder von der rechten Demo seien zum Beispiel so zusammengeschnitten, dass der Aufzug wie eine Massenbewegung wirke. Die Masken vermittelten den Eindruck von Subversivität. So entstehe ein „Event-Charakter“. „Aktionen selbst sollen Neugier wecken“, betont Glaser, der bei der Organisation der Bundesländer den Bereich Rechtsextremismus leitet.
Er fordert die Betreiber von Online-Plattformen wie YouTube und Facebook auf, mehr zu tun. „Es kann nicht angehen, dass Rechtsextreme diese Dienste für ihre Hasspropaganda missbrauchen.“ Das Problem seien nicht unbedingt strafrechtlich relevante Inhalte - die würden schnell entfernt. Doch die Betreiber müssten auch gegen subtile Propaganda wie das Video vom Fackelzug vorgehen: „Fragen des Jugendschutzes müssen in die Firmenphilosophie einfließen.“
Mit dieser Forderung stoßen die Jugendschützer bei Facebook und YouTube jedoch auf wenig Gegenliebe. Denn die Plattformen müssen abwägen zwischen Jugendschutz und Meinungsfreiheit - einem Wert, der im Mutterland der amerikanischen Betreiber sehr viel gilt.
Das wird etwa an der Diskussion um die NPD deutlich. Die sei in Deutschland eine „verfassungsgemäße Partei“, erklärt Facebook auf dpa-Anfrage. „Als neutrale Plattform löscht Facebook die Seiten und Gruppen der NPD nicht automatisch. Wenn eine Seite gegen die Nutzungsbedingungen verstößt - zum Beispiel mit "Hate Speech" - werden die Seiten umgehend gelöscht.“
YouTube-Betreiber Google dankt Jugendschutz.net für Hinweise zu „jugendgefährdenden bzw. rechtswidrigen Inhalten“. Aber „nicht in jedem Einzelfall“ könne man „eine vollständige Übereinstimmung bei der Abwägung zwischen deutschem Jugendschutz und globalen Werten der freien Meinungsäußerung und Informationsfreiheit“ erzielen, erklärte Arnd Haller, Jugendschutzbeauftragter von Google in Deutschland.
Neben den Betreibern sind nach Ansicht der Jugendschützer auch die Nutzer in der Pflicht. Eine „Aktivierung der Netzgemeinde“ forderte Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Es fehle eine „aktive Auseinandersetzung“ mit rechtsextremen Inhalten im Netz. Die Netzaktivisten hätten eine „Pionierfunktion“.