Manager sieht Netz vor elementarem Entwicklungssprung

München (dpa) - Das Internet steht nach Einschätzung von Managern aus der Online-Wirtschaft vor einem weiteren Entwicklungssprung. „2012 wird ein fundamentaler Wendepunkt. Wir werden eine grundsätzliche Neuorientierung von immer mehr Informationen und neuen Services hin zum Nutzer erleben“.

Das sagte Google-Topmanager Nikesh Arora auf der Web-Konferenz DLD (Digital, Life, Design) in München. John Donahoe, der Chef des Online-Marktplatzes Ebay, sagte gravierende Veränderungen im Einzelhandel voraus.

Facebook-Managerin Sheryl Sandberg stellte auf der Konferenz eine Studie zum wirtschaftlichen Einfluss des Online-Netzwerks vor. Der Erhebung zufolge schafft Facebook in Europa einen direkten Mehrwert von 15,3 Milliarden Euro. Dank Facebook seien über 230 000 Jobs eingerichtet worden, davon 36 000 in Deutschland. Durch das Netzwerk seien 2,6 Milliarden Euro zum deutschen Bruttoinlandsprodukt dazugekommen. Für die Studie wurden Unternehmen zum Erfolg ihrer Facebook-Aktivitäten befragt. Das Online-Netzwerk steht vor allem in Deutschland unter massivem Druck von Datenschützern und Politikern.

Die bei Facebook für das Tagesgeschäft zuständige Sandberg betonte, dass Soziale Netzwerke ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hätten. Sie kündigte an, 50 000 kleineren Unternehmen einen Gutschein über 100 Euro für Werbung auf Facebook zur Verfügung zu stellen, damit sich die Firmen von der Reichweite des Netzwerkes überzeugen könnten. Auch Google hatte zuvor ähnliche Gutscheine an Unternehmen verteilt.

Google-Manager Arora betonte, in den vergangenen Jahren hätten Breitband-Internet und Mobilfunk immer neue leistungsstarke Plattformen, Endgeräte und Services hervorgebracht. Nun müsse es darum gehen, das Web im Interesse der Anwender zu ordnen. Der Google-Manager nannte unter anderem die bessere Integration und Vernetzung zwischen verschiedenen Plattformen. Eine der größten Herausforderungen bestehe darin, den Nutzern einen einfachen und einheitlichen Zugang zu ihren Inhalten und Services auf allen internetfähigen Endgeräten zu ermöglichen - vom Handy, über Tablet-Computer und Notebook bis hin zur nächsten Generation von TV-Geräten. Google wird derzeit für Änderungen an seiner Suchmaschine kritisiert, die Ergebnisse persönlicher machen soll - aber zugleich auch Treffer aus dem Facebook-Konkurrenten Google+ prominenter anzeigt.

Ebay-Chef John Donahoe sagte, er gehe davon aus, dass sich der Einzelhandel in den nächsten drei Jahren mehr verändern werde als in den zurückliegenden 20 Jahren. Allein der Siegeszug internetfähiger Smartphones habe die Grenzen zwischen dem Einkaufen im Web und dem klassischen Shoppingerlebnis verwischt. Nach Einschätzung von Donahoe werden digitale Bezahlsysteme in absehbarer Zeit das herkömmliche Bezahlen mit Bargeld ablösen. „Ich trage eine Geldbörse mit mir, meine Vater hatte eine, mein Großvater auch. In zwei Jahren wird die verschwunden sein“, sagte der Konzernchef.

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales warnte angesichts der Komplexität und der globalen Vernetzung der Internet-Ökonomie vor Versuchen, die Gefahren und Missstände mit schärferen Gesetzen bekämpfen zu wollen. Wales verwies auf die von der amerikanischen Film- und Fernsehindustrie betriebene Gesetzesinitiativen, die den Bruch von Urheberrechten mit drakonischen Strafen und Netzsperren ahnden sollen. Wenn jemand wie der Medienunternehmer Rupert Murdoch in diesem Zusammenhang Google als den Anführer der Internet-Piraten bezeichne, sei dies „verrückt und kompletter Unsinn“.

Der russische Online-Unternehmer Pawel Durow kündigte in München eine Spende für Wikipedia in Höhe von einer Million Dollar an. „Wikipedia trägt mehr zur Bildung bei, als viele Staaten“, sagte er. Der 27 Jahre alte Durow betreibt zusammen mit seinem Bruder Nikolai den russischen Facebook-Klon Vkontakte.ru („In Kontakt“), der von schätzungsweise über 100 Millionen Anwendern genutzt wird.

Die Gründerin des amerikanischen Nachrichten- und Blogportals „Huffington Post“, Arianna Huffington, wurde bei der DLD mit dem Aenne-Burda-Preis ausgezeichnet. Der Burda-Verlag würdigt mit dem Preis, herausragende Unternehmerinnen der Internet-Welt. Die 2005 gegründete „Huffington Post“ ist mit über 15 Millionen Seitenaufrufen inzwischen eines der reichweitenstärksten Medienangebote in den USA.