Raus aus der WLAN-Wüste: Berliner bauen eigenes Drahtlosnetz
Berlin (dpa) - Internet für alle in deutschen Städten? Fehlanzeige. Öffentlich zugängliche WLAN-Netze sind rar - wegen der unsicheren Rechtslage für Anbieter. Doch eine Berliner Initiative hat einen Ausweg gefunden.
Der Treffpunkt der Berliner WLAN-Initiative erinnert an ein Raumschiff: Durch einen Tunnel geht es in den fensterlosen Raum, leuchtende Schriftzüge huschen über gestapelte Club-Mate-Flaschen, unzählige Bildschirme schimmern auf runden Tischen. Dort, im sogenannten Hackerspace C-Base in Berlin-Mitte, treffen sich die Mitglieder der Freifunk-Bewegung alle zwei Wochen und arbeiten an einem öffentlichen Drahtlosnetz für die Hauptstadt.
Noch sind die WLAN-Hotspots in Berlin dünn gesät - genau wie in den meisten deutschen Städten. Wer mit mobilen Geräten surfen will, muss meist das Datenvolumen aus dem Handyvertrag anzapfen. Dabei gehört Public-Wifi in anderen EU-Ländern zum Alltag.
Die Stadt Berlin will seit Jahren nachziehen - bislang noch nicht mit durchschlagendem Erfolg. „Im Gegensatz zu anderen Städten hat man in Berlin sehr große Flächen zu versorgen“, rechtfertigt sich Björn Böhning, Chef der Senatskanzlei. Ende Januar lief die Bewerbungsfrist der neuesten Drahtlos-Initiative der Stadt ab. Mit finanziellen Anreizen wollte die Senatskanzlei Betreiber locken, die 30 Minuten kostenloses Internet für alle bieten. Zumindest einige Bewerber hätten sich gemeldet, heißt es aus der Senatskanzlei.
„Wir wollen uns nicht auf die öffentliche Hand verlassen“, sagt Monic Meisel, Mitbegründerin der Freifunk-Bewegung. „Es ist an den Menschen, zu einem freien WLAN in Berlin beizutragen.“ Schon um das Jahr 2000 hat die Community begonnen, zwischen zwei Kiezen in Friedrichshain Daten hin und her zu schicken - vorbei am Netz kommerzieller Anbieter.
Dieses lokale Netz hat sich rasant ausgebreitet. Freifunk-Verfechter haben in Berlin mittlerweile mehr als 200 Router aufgestellt. Bundesweit gibt es fast 150 ähnliche Initiativen. Das Prinzip ist überall dasselbe: Die Freifunk-Router verbinden sich untereinander und bilden so ein dezentrales Netz. Richtfunkantennen auf hohen Gebäuden bilden dessen leistungsstarke Rückgrat. Einige Freifunker teilen darüber ihren häuslichen Internetzugang mit allen.
Jeder kann sich über die Freifunk-Router ins Internet einwählen - ohne Passwort. Auf einer Karte im Internet sind alle Hotspots verzeichnet - neben den etwa hundert Zugangspunkten von kommerziellen Anbietern wie Kabel Deutschland, die 30 Minuten kostenloses Internet zur Verfügung stellen. Daneben versucht auch das spanische Unternehmen Fon, öffentliches WLAN weiter zu verbreiten, und kooperiert in Deutschland mit Telekom und E-Plus.
Es ist vor allem die Rechtslage, die bisher verhinderte, dass es in Deutschland ein flächendeckendes Public-Wifi gibt. Wegen der sogenannten Störerhaftung wird immer auch der Anschlussinhaber zur Rechenschaft gezogen, wenn ein Dritter über seinen Internetzugang Rechtsverletzungen begeht. Teure Abmahnungen drohen.
„Deutschland ist das einzige europäische Land, in dem mit dieser Härte gegen Anschlussinhaber vorgegangen wird“, sagt Beata Hubrig, Anwältin für Kommunikationsrecht. Sie vergleicht das Internet mit einer Autobahn: Wenn ein Fahrer betrunken einen Unfall baue, könne dafür schließlich auch nicht der Betreiber der Straße verantwortlich gemacht werden.
Die Freifunker umschiffen die rechtlichen Klippen zähneknirschend: Die IP-Adressen der Mitglieder werden über einen Daten-Umweg durch eine zentrale IP-Adresse ersetzt - in Berlin gehört diese neue Adresse dem Förderverein Freie Netzwerke. Kanzleien können dadurch keine Abmahnungen mehr an einzelne Routerbesitzer schicken. Sie landen immer beim Verein, der offiziell als Internet-Dienstbetreiber registriert ist und ähnlich wie die Telekom nicht für die Störungen von Nutzern haftet. Straftaten, die im Freifunknetz begangen werden, können trotzdem verfolgt werden.
Das Freifunknetz ist durch diesen Umweg zwar langsamer als das kommerzielle, aber Geschwindigkeit sei auch nicht das erste Ziel, sagt Steffen Meyer-Tippach, Referent für digitale Projekte bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, die die Bewegung bislang mit 80 000 Euro unterstützt hat. „Es geht bei Freifunk um eine WLAN-Grundversorgung. Jeder soll teilhaben können am Internet.“
Noch ist dieses Ziel bei Weitem nicht erreicht. „Alles hängt davon ab, wie viele Leute mitmachen“, sagt Freifunk-Gründerin Monic Meisel, schränkt aber ein. Ein neues Mitglied zumindest ist beim jüngsten Treffen dazugekommen. Der Berliner Martin Gutschmidt war es leid, dass die Telekom kein Kabel in seine Dachgeschosswohnung legen wollte. Mit seinem neuen Router kann er jetzt ins Internet - und das Freifunknetz hat einen Knoten mehr.