Krefeld: Besuch des Avatars Besuch des Avatars im Salon von Haus Esters

Zu einer ungewöhnlichen Vernissage laden Haus Esters und Haus Lange am Sonntag. Dabei geht es um eine pessimistische Sicht auf die Zukunft.

Auf dem Teppich des Künstlerduos Friedemann Banz und Giulia Bowinkel findet per Tablet eine virtuelle Performance statt.

Foto: Andreas Bischof

Im ehemaligen „Zimmer der Dame“ von Haus Esters sind die Familienmitglieder längst verschwunden. Es herrscht museale Leere. Lediglich ein Teppich liegt auf dem Boden, hergestellt von der Krefelder Teppichmanufaktur Rentmeister. Er enthält ein schwarz-weißes Muster. Der Pfiff kommt erst, sobald der Besucher ein Tablet von der Fensterbank nimmt und auf den Teppich richtet. Dann taucht ein künstlicher Mensch auf und stolziert über die Webware. Und wir können mit dem Tablet in der Hand um den Teppich herumlaufen und scheinbar mit dem Avatar spielen. „Anders Wohnen“ ist das Motto dazu. Am Sonntag um 11.30 Uhr ist Vernissage in Haus Esters und Haus Lange an der Wilhelmshofallee. Dann erfahren die Besucher mehr.

Wenn die künstliche Figur auf  dem neuen Teppich spaziert

„Anders Wohnen“ ist das Generalthema der Krefelder Museen  im Bauhaus-Jahr. Ging es im Frühjahr um die Utopie, so ist jetzt die Dystopie an der Reihe, die  Apokalypse also, die Zeit der Unkenrufe. Der negativ besetzte Begriff ist längst zum Modewort geworden. Vier Künstler, die von der Kuratorin Magdalena Holzhey eingeladen wurden, schüren eher Angst als Hoffnung.

Giulia Bowinkel und Friedemann Banz, die Schöpfer des Avatars, sind Profis auf dem Gebiet der virtuellen Realität. Ihr computer-generiertes Männlein stolziert auf dem Teppich herum, geht auf und ab, dreht und wendet sich und macht scheinbar einstudierte Bewegungen. Wie dies kommt, erklärt das Duo so: „Der Teppich ist der Marker für den Avatar. Das Muster auf dem Teppich wird von der Software im Tablet erkannt.“ Der Avatar hopst gleichsam aufs Tablet. Seine Bewegungen sind programmiert, denn die Künstler haben Bewegung von Menschen aufgezeichnet. In ihrem Regelwerk fügt der Avatar das Drehen, Wenden, Hopsen und Hocken selbstständig zur Einheit. Der Computer zwingt ihn, die jeweils nächste Bewegung zu machen. „Bot  5“ nennt sich die Arbeit, wobei Bot für ein Computerprogramm steht, das nach vorgegebenen Regeln automatisch Aufgaben erfüllt.

Weniger spielerisch als aus Angst handelt Michal Helfmann aus Tel Aviv. In ihrem Video agieren fünf Performer. Scheinbar sportlich geht es auch bei ihnen zu. Sie tanzen mit der Rettungsfolie, schieben ihre Masken vors Handy und scheinen damit zu kommunizieren. Vor allem aber machen sie permanent dasselbe. Turnen. Kreisen. Robben. Kriechen. Sie schieben sich vom Podest in einen Graben, werden weggeschoben, fallen hin, stehen auf, tragen ihren Kompagnon huckepack und fangen wieder von vorn an.

In englischer Sprache wird erklärt, worum es geht. Die Künstlerin überträgt per Vertrag ihre Autorschaft an ein Kollektiv, das im Exil leben muss. Ihre Freiheit ist Mangelware. Der Verbund der Heimatlosen könnte durchaus real sein, die Requisiten für den Film befinden sich tatsächlich im Ausstellungsraum. Letztlich geht es um Kunst als subversive Waffe gegen Unterdrückung. Die Anweisungen an die armen Teufel sind philosophischer Art, handeln von Katastrophen, der ewigen Wiederkehr des Gleichen und dem Versuch, einen besseren Plan zu finden.

Heiterer, genüsslicher, duftend und lecker ist es in der historischen Küche in Haus Lange. Dort lässt die brasilianische Künstlerin Laura Lima vom Krefelder Caterer Salt’n Pepper kochen. Zehn Gerichte stehen auf dem Speiseplan, mit frischen Zutaten aus der Umgebung.  Die Besucher dürfen jedoch nicht kosten, schon gar nicht speisen, sondern nur gucken. Hatte der Künstler Daniel Spoerri seine Eat Art als Esskunst kredenzt, so ist Laura Lima stur. Alles, was da so schön als Gaumenfreude hergestellt wird, kommt erst in 25 Jahren auf den Tisch. Im Jahr 2044 wird in den Kunstmuseen Krefeld das tiefgefrorene Essen aufgetaut und konsumiert. Wer dann noch lebt, ist herzlich eingeladen. Wer bis dahin Hunger leidet, dem kann das Museum aushelfen. Was für ein Trost!

Wer ans Heute denkt, kann nach der Vernissage am Sonntag ins Gartencafé hinter Haus Esters gehen und sich an realem Kuchen und Getränken erfreuen.