Bernhard: Ein genialer Wüterich

Der Schriftsteller wäre am Mittwoch 80 Jahre alt geworden.

Wien. Ein Thomas Bernhard, altersmilde lächelnd und still sinnierend: Nichts kann sich Peter Fabjan, Halbbruder und Nachlassverwalter des österreichischen Schriftstellers, weniger vorstellen. „Er würde sagen, ,es ist alles schlimmer, als ich vorhergesagt habe’“, schrieb Fabjan. Und weiter: „Erregung war immer sein Lebenselixier“.

Thomas Bernhard ist berüchtigt gewesen für sein verbales Wüten. Die Grazer Autorenversammlung waren für ihn „eine Versammlung untalentierter Arschlöcher“, der Autorenkollege Peter Handke sei „ein ganz weiches, schwaches Familienkind“, und ein Shakespearescher „Sturm“ schade Europa „mehr als zehn Tschernobyl“.

Thomas Bernhard hat Zeit seines Schriftsteller-Lebens nach Kräften ausgeteilt und dabei auch vor zufälligen Tischnachbarn im Wiener Caféhaus nicht halt gemacht. Am Mittwoch wäre der Rebell der Literatur- und Theaterszene 80 Jahre alt geworden.

Stoff gäbe es auch heute genug für den „Antiheimatdichter“, den „negativen Staatsdichter“ Österreichs, wie er zu Lebzeiten genannt wurde. Themen wie die neue Rechte in Österreich oder der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche — die gesellschaftlich-politischen Zustände waren stets der Ausgangspunkt für Bernhards Tiraden.

Seine messerscharfen gesellschaftlichen Analysen wurden vom Feuilleton gefeiert, und sie spalteten die Nation. Mit groteskem Humor hielt er Österreich den Spiegel vor — und erntete dafür den Hass des Boulevards. Und schließlich erreichte die Aufregung um Bernhard in der provokanten Uraufführung von „Heldenplatz“ am Wiener Burgtheater in der Regie von Claus Peymann 1988 einen letzten Höhepunkt.

Kurze Zeit später, am 12. Februar 1989, starb er mit 58 Jahren an einer Herzerweiterung. Bereits in Jugendjahren hatte er an Tuberkulose gelitten, Krankheit war sein lebenslanger Begleiter. Bernhard, der in Holland geboren wurde und in Salzburg sowie im südbayrischen Raum aufwuchs, machte seine subjektive Lebenserfahrung zum Schlüssel für seine literarische Welt.

Krankheit und Tod wurden zu zentralen Motiven in seiner Prosa, der Grundton ist atemlos und getrieben, über weite Strecken monologisierend. Die Dramen sind getragen von Gesellschaftskritik, die Dialoge verlangen von den Schauspielern Sprechkultur und Präzision.

„Der Blick auf Bernhards Werk hat sich stark geändert“, urteilte Martin Huber, Leiter des Thomas-Bernhard-Archivs in Gmunden in Oberösterreich. Inzwischen hat sich doch sehr viel getan. Bernhard löst keinen Skandal mehr aus. Heute wird sehr viel mehr die literarische Bedeutung wahrgenommen.“

Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek fasste es einmal so zusammen: „Er ist das Maß der österreichischen Literatur. Keiner wird je mit ihm mithalten können.“ Nachzulesen sind die Wütereien Bernhards in dem zu seinem 80. Geburtstag erschienenen Buch. Thomas Bernhard: „Der Wahrheit auf der Spur“, Suhrkamp, 344 Seiten, 19,90 Euro.